Die Digitalisierung ist nicht aufzuhalten! Interviewpartner und Gast bei Selbstmanagement. Digital. ist diesmal Alexander Müller, CEO und Mitinhaber von GEDANKENtanken. Gerade ist Alex von einer Unternehmerreise aus dem Silicon Valley zurückgekehrt. Warum er anscheinend im falschen Land war, erfahrt Ihr in diesem Interview. Ihr könnt seine Eindrücke und Meinung zu der rasanten Geschwindigkeit der Digitalisierung erfahren.
Alle, die sich noch nicht eingehend mit der Digitalisierung in ihrem Unternehmen beschäftigt haben, weil die Geschäfte gut laufen und man gar keine Zeit für so etwas hat, sollten nicht zulange damit warten ihr Unternehmen zu digitalisieren, denn sonst könnte es zu spät sein.
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15five
Transkript
LB = Lars Bobach
AM = Alexander Müller
LB:
Herzlich willkommen zum Podcast Selbstmanagement. Digital. Wir geben Orientierung im digitalen Dschungel, so dass wieder mehr Zeit für die wirklich wichtigen Dinge im Leben bleibt. Mein Name ist Lars Bobach und ich sitze hier zusammen mit dem Alex Müller, hallo Alex.
AM:
Hallo Lars, grüß dich.
LB:
Schön, dass du da bist. Alex Müller werden einige von euch sicherlich kennen von „GEDANKENtanken“. Da ist er CEO und Inhaber, also geschäftsführender Gesellschafter. Nach eigenen Aussagen liebt er es, neue Geschäftsideen zu entwickeln, zu testen und daraus nachhaltige Unternehmen zu entwickeln, mit GEDANKENtanken, wo er sehr erfolgreich auf dem Weiterbildungsmarkt unterwegs ist.
Aber sein absolutes Lieblingsthema ist die Digitalisierung und die damit verbundenen Chancen. Er hat mir gerade im Vorgespräch erzählt, dass er gerade vor zwei Wochen auch wieder aus dem Silicon Valley zurück gekommen ist. Ich bin ganz gespannt, was er mitgebracht hat.
Was war das denn jetzt genau im Silicon Valley? Was war der einschneidendste Eindruck, den du gesammelt hast?
AM:
Es ist immer spannend, ich bin regelmäßig dort. Das erste Mal vor fünf Jahren, es hat damals meine Sicht auf die Welt ein Stückweit verändert, insbesondere natürlich auch die Dynamik, die aktuell herrscht und vor allem in Zukunft herrschen wird. Für mich ist das Spannende, was ist jetzt gerade das Neue, das ich entnehmen kann. Es wird nicht jedes Jahr die Welt neu erfunden, das wäre eine falsche Erwartungshaltung. Aber es sind schon immer ein paar spannende Eindrücke.
Und dieses Jahr war eine der Erkenntnisse, das haben uns mehrere unabhängig voneinander gesagt, dass wir im falschen Land waren. Wir fahren dahin, um am Hotspot zu sein, wo die Welt sich am schnellsten dreht, wo die größten Innovationen herkommen. Und mehrere haben uns unabhängig voneinander gesagt, Leute, schaut mal, was gerade in China abgeht. Zum Beispiel was künstliche Intelligenz angeht.
Ich glaube, es war gestern oder vorgestern auf dem Titel des Handelsblattes als Top-Thema. Das ist einer der großen Themen, China gibt gerade Vollgas. Deswegen werden wir im nächsten Jahr zwei Unternehmerreisen nach China anbieten, um genau auf diese Entwicklung zu reagieren.
LB:
Das ist ja interessant, ich höre viel davon, dass Unternehmen ins Silicon Valley reisen. Wie stelle ich mir so etwas vor? Fahre ich da durch die Straßen, sehe Industriebauten, die sind jetzt nicht besonders schön. Ich habe mal ein paar Fotos gesehen, einer sieht wie der andere aus, außer von Apple natürlich. Wie kommt ihr da an Informationen, wie läuft so eine Unternehmerreise ab?
AM:
Wir sind 7 Tage unterwegs, haben in Las Vegas begonnen, uns zuerst die Stadt angeschaut, uns ein Zappos angeguckt, das ist das amerikanische Vorbild von Zalando gewesen. Es ist ein Versandhändler, der inzwischen von Amazon gekauft wurde und die sich auszeichnen durch eine echt verrückte Kultur. Da bekommt man Eindrücke, was ist, wenn man eine intensive, verrückte Kultur hat und die wirklich auslebt. Das kriegt man da zu sehen, einfach unglaublich spannend mal zu sehen, wie verrückt das sein kann.
Und dann sind wir ins Valley weitergereist, San Francisco und das Silicon Valley selbst. Da besuchen wir dann innerhalb von fünf, sechs Tagen etwa 10 unterschiedliche Firmen, haben eigene Veranstaltungen, wo wir Referenten einladen. Das sind dann deutsche Journalisten, die seit 20 Jahren dort leben, wie von der Wirtschaftswoche oder ein Zukunftsforscher zum Thema autonomes Fahren, der dann seit knapp 20 Jahren im Valley lebt und gerade ein Buch über autonomes Fahren geschrieben hat und Einblicke gibt, wie weit das autonome Fahren dort hinten ist, wo man dann teilweise erschrocken ist.
Also, man bekommt einfach Einblicke, die man jetzt nicht bekommt, wenn man als Tourist rüberfährt und sich einfach nur die Straßenzüge anguckt. Man guckt hinter die Fassaden der Unternehmen und erhält Einblicke.
LB:
Es ist also organisiert, dass ihr in die Unternehmen reinkommt?
AM:
Absolut. Wir gucken uns Großkonzerne an wie Google oder wir gucken uns Stanford an, aber auch kleine Startups, von denen man in Deutschland nie etwas gehört hat, wo man aber merkt, dass die gerade an spannenden Themen arbeiten, die uns auch in Zukunft irgendwann bewegen werden.
Wir haben ein Big Data Unternehmen besucht, die haben 50 Mitarbeiter, die schaffen es, Daten mit einer App zu sammeln und die messen quasi Autofahrten und können dir innerhalb von 20 Meilen sagen, durch ihre künstliche Intelligenz, ob du ein sicherer oder unsicherer Autofahrer bist. Sie verkaufen diese Services an Fuhrparkleiter und Versicherungen. Es sind spannende Sachen, das erlebt man eigentlich in Deutschland nicht, solche Startups oder zumindest nicht in der Intensität wie man es da sieht.
LB:
Als du eben sagtest Zappos, da war die erste Geschichte, die mir in den Kopf kam über den Gründer, Tony Hsieh, einem Amerikaner. Ich habe ich mich mit E-Mails sehr intensiv beschäftigt und er hat vier persönliche Assistenten, die nur seine E-Mails beantworten. Das ist unglaublich. Er hat vorher auch noch ein paar andere Firmen gegründet. Mich würde jetzt aber mal interessieren, wie bist du überhaupt dazu gekommen, dass dich Digitalisierung und dieser Speed, der da herrscht, so fasziniert und interessiert?
AM:
Ich bin jetzt 33, habe meine erste Vollselbständigkeit mit 20 Jahren begonnen. Ich habe in den letzten 13 Jahren relativ viele Firmen gegründet, manchmal erfolgreich, häufig auch nicht. Die Firmen wurden immer technologischer bzw. immer digitaler, immer einen sehr hohen Online-Marketing Anteil gehabt. Das heißt, digitale Themen haben mich schon immer interessiert und immer mehr interessiert.
Irgendwann habe ich tatsächlich den Sprung gewagt und habe mich einfach mal in den Flieger gesetzt und habe eine Reise mitgemacht ins Valley. Ich habe mich dann geärgert, dass ich das erst vor 5 Jahren gemacht habe. Weil den Eindruck, den man da bekommt, der Spirit, der da herrscht, die Unternehmenskulturen, auch das Verständnis, was Digitalisierung wirklich jetzt schon beherrscht, aber vor allen Dingen auch, dass die letzten 10 Jahre langweilig waren zu den nächsten 10 Jahren, die kommen werden.
Das heißt, wir glauben immer, dass Innovationen linear verlaufen. Wir glauben ja fast sogar, dass es nicht so verrückt sein kann die nächsten zehn Jahre wie die letzten zehn Jahre. Wenn man sich aber intensiver mit all diesen Themen beschäftigt und vor Ort bekommt man es wirklich vor Augen gehalten, war das echt nur der Anfang.
Und wenn man das mal spürt, wenn man diesen Spirit spürt, wenn man so ein bisschen mal Prognosen wagt, was in den nächsten zwei, drei, vier Jahren auf uns zukommt, kann man einfach als Unternehmer, der seinen Job ein bisschen ernst nimmt, dieses Thema nicht mehr verstecken.
LB:
Gut, das ist klar. Aber jetzt stehen wir nach deinen Aussagen erst am Anfang der digitalen Revolution oder der Digitalisierung oder wie man es immer nennen will. Die Frage ist aber, wo das Ganze hinführt. Wenn du jetzt sagst, Silicon Valley ist eigentlich der falsche Ort heute, man muss nach China reisen.
Ich habe mal gelesen, wenn es in Deutschland schwierig ist, an Geld zu kommen, im Silicon Valley ist es leichter und in China werden Summen bewegt, da im Venture Capitol Bereich, Milliarden. Ich habe da nur diese Story von diesem oBike gelesen, was innerhalb von drei Jahren zu einem Milliardenunternehmen aufgebaut wurde. Ein Wahnsinn, das kann man hier in Deutschland gar nicht mehr fassen.
AM:
Ja, ich muss sagen, China ist tatsächlich bei mir neu auf dem Radar. Dass wir China nicht unterschätzen dürfen ist ja völlig klar und dass die in allen Bereichen, auch im Ingenieurbereichswesen, unglaublich investieren, KnowHow weltweit einkaufen, das ist alles kein neuer Schuh. Dass die aber tatsächlich auch im Startup-Bereich und wirklich im Hochtechnologiebereich oder eher sogar im Bereich künstliche Intelligenz, Robotic, etc. sogar dem Silicon Valley inzwischen zumindest mal einigermaßen Paroli bieten können, ist für mich tatsächlich neu.
Ich glaube, das müssen wir uns ernsthaft anschauen und damit dürfen wir uns beschäftigen. Weil da natürlich eine Kraft entsteht. Ich finde es auch ganz interessant, warum das so ist. Du fragtest gerade, in welche Richtung geht das denn überhaupt, was hat diese Digitalisierung für uns für Auswirkungen? Und in China sieht man das ganz schön. China hat diesen Boost gerade, weil der Markt in China Innovation viel schneller annimmt.
Zum Beispiel der Endkonsument ist viel offener für Innovation. Mobil Payment, in China bezahlt man auf dem Markt standardmäßig mit dem Smartphone, Bargeld verschwindet da in weiten Teilen des Landes schon. Das ist in Deutschland unvorstellbar. Ich frage in meinen Vorträgen regelmäßig, wer von euch hat schon einmal in seinem Leben im Einzelhandel mit dem Handy bezahlt? Da gehen meist 2 bis 3 Prozent der Arme hoch. Ich kann mich da einreihen bei den 97 Prozent. Auch ich habe im Einzelhandel noch nie mit dem Handy bezahlt.
Man kann nach Kenia gucken, da haben 90 Prozent der Einwohner auch schon mit dem Mobiltelefon bezahlt. Da sieht man einfach, wir hängen nicht nur technologisch oder auch im Bereich Startups oder Venture Capital hinterher, sondern auch in ganz banalen Enduserfragen. Das ist natürlich nicht förderlich für ein Ökosystem.
LB:
Hängt das am deutschen Mindset oder woran liegt das?
AM:
Ja, es ist erstmal das Mindset „uns geht es gut“. Also, im Allgemeinen herrscht die Meinung, als wenn es gerade der Wirtschaft nicht so gut geht, aber das ist eine subjektive Wahrnehmung, keine objektive. Bei den wirtschaftlichen Zahlen geht es uns zumindest so gut wie noch nie. Jetzt will ich gar nicht den Weltvergleich mit asiatischen und Drittweltländern anstellen. Ich glaube, den Vergleich dürfen wir hier gar nicht machen.
Das heißt, uns geht es einfach gut. Ich glaube, ein Stückweit auch zu gut. Wir ruhen uns auf dem Erfolg der letzten Jahrzehnte oder der letzten 70 Jahre ein Stückweit aus. Ich könnte mir vorstellen, dass uns das irgendwann zum Verhängnis wird. Wir sehen halt viele Gefahren in der Digitalisierung, wir fangen an, Datenschutzgesetze einzuziehen, die am eigentlichen Ziel aus meiner Sicht sogar massiv vorbeisteuern.
Wir sind nicht bereit, vom Staat aus wirklich massiv in Digitalisierung zu investieren. Als Endnutzer haben wir auch eher eine Abneigung gegenüber wirklich innovativen Dingen. Wenn man in Deutschland fragt, habt ihr Interesse, das Bargeld abzuschaffen, wo ich sofort dafür wäre, weil es einfach keinen Sinn macht aus meiner Sicht. Es ist unpraktisch und so weiter. Da herrscht, glaube ich, in der Gesellschaft in der breiten Masse überhaupt keine Zustimmung.
LB:
Das kann ich unterstreichen. Ich bin ja E-Autofahrer seit mittlerweile drei Jahren. Ich habe dazu auch mal ein Video gemacht und auf meinem Blog etwas dazu geschrieben. Was da für Meinungen zurückkommen, ist schon so ein bisschen feindlich dann.
Du hast es eben richtig gesagt, ich habe es auf den Punkt gebracht. Wir sehen die Digitalisierung eher als Gefahr und nicht als die Chance. Das ist sehr schade. Du hast ja einen sehr guten Überblick. Welche Art von Unternehmen werden denn den digitalen Wandel überhaupt überleben und welche nicht?
AM:
Am Ende des Tages können wir uns auf die Digitalisierung nicht vorbereiten beziehungsweise wir können uns eigentlich nur darauf vorbereiten, dass wir uns nicht mehr vorbereiten können. Was meine ich damit? Wir wissen nicht, wie die Zukunft sein wird. Selbst, wenn wir noch so viele Zukunftsforscher beschäftigen, die sich damit auseinandersetzen, es weiß keiner, wohin es genau geht.
Wichtiger ist es einfach, dass wir immer flexibler werden, immer agiler werden, um uns den Entwicklungen, die definitiv kommen werden, wir wissen bloß nicht, wo es hingeht, uns da anpassen zu können. Das heißt generell, das Thema Geschwindigkeit wird enorm zunehmen. Und die Fähigkeit, die Geschwindigkeit mitzugehen, das heißt, kurze Entscheidungswege, kurze Produktentwicklungszyklen, die Fähigkeit, sich als Organisation umzubauen, Ressourcen aufzubauen, sich Wissen anzueignen, schnell Erfahrungen zu sammeln, schnell Dinge zu testen. Überall geht es um Schnelligkeit, Beweglichkeit, Agilität.
Das ist aus meiner Sicht die größte Fähigkeit, die ein Unternehmen in Zukunft haben muss, diese Agilität und Schnelligkeit hinzubekommen. Dafür brauchen wir neue Strukturen, neue Organisationsformen, andere Skills als in der Vergangenheit, ein anderes Mindset und so weiter.
LB:
Genau, wir können uns gar nicht konkret vorbereiten, wir müssen offen sein, schnell bleiben. Ich habe hier zum Beispiel in der Online-Marketing Agentur, wir machen sehr viel AdWords, Millionenbudgets verwalten wir da für unsere Kunden. Da gibt es auch schon einen Abgesang drauf, dass es über KI alles automatisch geht. Dann braucht man Agenturen wie unsere gar nicht mehr. Das kann natürlich sein, ich weiß nicht, was in fünf, sechs Jahren ist, vielleicht ist es dann so. Dann müssen wir halt etwas Neues finden. Du hast recht, man kann sich nicht vorbereiten, man muss nur schnell, agil und offen sein für Neues als Unternehmen.
AM:
An deiner Stelle und ich weiß, dass du es bist, wäre ich völlig tiefenentspannt. Dafür werden neue Kompetenzen gebraucht in einem ähnlichen Feld. Solange man eine Bewegung anführt und nicht bis zur letzten Minute am AdWords-Verwaltungskonto festhält und seinen Kunden erzählt, nein, die KI ist noch nicht so gut, buche besser mich. Also sich und dem Kunden etwas vormacht, dann gehört man nicht zu den Führenden, sondern dann wird man immer wegrationalisiert und ist dann überrascht, dass sich die Dinge plötzlich so ändern.
Oder man geht diese Entwicklung Stück für Stück mit. Wenn man sich mit dem Thema Onlinemarketing, mit dem Thema Marketing-Automation auseinandersetzt, da sozusagen am Puls der Zeit bleibt, bin ich ziemlich sicher, werden die Chancen weiter wachsen, genauso wie in der Vergangenheit und nicht kleiner werden.
LB:
Ja, danke, dass du es so siehst. Ich bin da auch tiefenentspannt und freue mich auch darauf, was sich da ergeben wird. Da werden sich garantiert neue Chancen ergeben, da hast du absolut recht. Aber wie können wir in der Gesellschaft und auch bei den Unternehmen die Angst vor der Digitalisierung ein bisschen nehmen? Die Angst schwingt ja immer in dem Wort mit.
AM:
Meine Art und Weise, damit umzugehen, ist, dass ich mich informiere. Das mache ich, indem ich reise in so ein Valley und mir anschaue, was passiert denn da eigentlich. Und mir vor Ort ein Bild mache. Ich beschäftige mich sehr viel mit Technologien. Damit habe ich angefangen, ich kann mich erinnern, mit Mitte 20, da habe ich nicht diesen Zugang zu den neuesten Tools gehabt und hatte irgendwann einen Innovationsstau bei mir selbst.
Ich war in meiner Microsoft-Welt, habe mein Office benutzt und hatte keinen Bock, neue Dinge zu lernen. Bis ich irgendwann gemerkt habe, dass es so nicht weitergehen kann. Den ersten Schritt da raus zu machen war für mich damals herausfordernd. Deswegen kann ich mich da gut reinversetzen. Wenn man auch in der Situation steckt, in der ich da vielleicht vor acht Jahren drinsteckte.
Ich kann nur sagen, dass ich mich irgendwann auf den Hosenboden gesetzt habe und für mich erkannt habe, es führt kein Weg daran vorbei. Es sozusagen für mich akzeptiert und angefangen habe, mich spielerisch in neue Tools einzuarbeiten. Ich habe relativ schnell gemerkt, dass es Spaß macht, dass ich produktiver werde, dass es doch nicht weh tut, sondern ein Mehrnutzen da ist.
Natürlich kann ich jetzt viel erzählen, das muss man mir nicht glauben, aber wenn man sich einmal überwindet und sich mit dem Thema Digitalisierung auseinandersetzt und wirklich auch für sich den Mehrwert erkennt und merkt, dass es nicht nur eine Pflicht ist, sondern auch ganz viele Chance mit sich bringt, einem das Leben leichter macht, Business-Opportunitäten eröffnet, man produktiver wird und so weiter, dann macht es richtig Bock.
Man kann da viel reden, man muss es wirklich erfahren und ich kann nur sagen, man kommt nicht drumherum. Wenn man es jetzt nicht macht, muss man in wenigen Jahren damit starten und dann wird es eher schwieriger als wenn man heute beginnt.
LB:
Das hört sich alles gut an, hast du denn mal ein konkretes Beispiel für uns, so ein „Pack-an“, wo man sagen kann, das war ein Unternehmen, das war sehr traditionell und was das dann Innovatives getan hat?
AM:
Ich habe es jetzt tatsächlich auf ein Individuum bezogen, auf jeden Einzelnen. Ich glaube, letztlich kommt es innerhalb einer Firma, einer Organisation, auf jeden Einzelnen an. Das kann nicht nur von oben kommen, nicht nur von einzelnen Leuten, sondern beim Thema Digitalisierung ist eigentlich der Schlüssel, dass jeder für sich versteht oder die Organisation jeden einzelnen Mitarbeiter sozusagen an den Punkt bringt, dass er aktiv mitmacht, mit Freude, auch wenn da noch eine Restangst und eine Unsicherheit ist, wie das denn alles werden soll.
Als Organisation, ich könnte „GEDANKENtanken“ als Beispiel nehmen. Wenn ich mich vier Jahre zurückerinnere, wir haben Trainings angeboten, Events organisiert. Wir haben viele Speakings gemacht. Da war der Anteil von digital erlöstem Umsatz und von digital skalierbaren Produkten kleiner als 10 Prozent. Das heißt, wir waren ein sehr Offline-Unternehmen. Wir haben zwar von Anfang an unsere Videos bei YouTube hochgestellt, wie man es heute kennt, aber die hat sich kaum einer angeschaut, weil wir keine Reichweite hatten. Das heißt, wir haben tatsächlich sehr offline begonnen.
Ich erinnere mich selbst, ich habe die Firma nicht gegründet, sondern bin nach zwei Jahren hinzugestoßen. Das ist jetzt vier Jahre her und ich bin mit eingestiegen als Inhaber und Geschäftsführer. Ich bin damals, als ich ins Team kam, würde ich behaupten, der digital Fitteste im Unternehmen gewesen. Ich kann an der Stelle sagen, es ist kein Kompliment für ein Unternehmen, wenn es um die operativen digitalen Fähigkeiten geht.
Heute bin ich in dem Unternehmen maximal im Mittelfeld angesiedelt, was gut ist. Das heißt, da sind viel mehr Leute, die heute digitaler sind. Aber auch die Leute, die damals schon da waren, die vielleicht nicht so einen digitalen Spleen hatten, konnten wir bis heute für die Digitalisierung begeistern. Vielleicht eine kleine Aussage, wenn wir dafür die Zeit haben, wenn es dich interessiert, können wir da nochmal tiefer reingehen.
Ich glaube ja ohnehin, dass wir uns als Basis erst einmal gar nicht so sehr mit der Digitalisierung auseinandersetzen müssen, sondern vielmehr mit einer Unternehmenskultur, die wir als Basis brauchen, um überhaupt konstruktiv, positiv und vielversprechend mit der Digitalisierung zu starten. Das heißt, wir brauchen eine gute Unternehmenskultur. Wenn man keine Mitarbeiter hat, keine grundlegend positive Stimmung, ist es sehr schwierig, eine digitale Transformation anzugehen, zu starten und erfolgreich umzusetzen.
Das haben wir ein Stückweit gemacht. Wir haben auf der einen Seite gesagt, wir müssen als Kultur noch viel stärker werden und fangen parallel an und auch ein bisschen zeitversetzt, den Schwerpunkt auf die Digitalisierung zu legen. Nur weil wir beides parallel angegangen sind, können wir heute dastehen und bestehen.
LB:
Ich glaube generell, dass für einen Unternehmenserfolg eine positive Einstellung ganz wichtig ist. Sei es digital oder nicht. Es gibt auch diese Meinung in Deutschland, dass sich mit dem Erfolg das Glück und die positiven Gefühle einstellen. Das ist ein Trugschluss, es ist nämlich genau umgekehrt. Erst wenn du die positiven Gedanken und das positive Mindset hast, kommt der Erfolg. So bin ich zumindest der Meinung.
Aber auf die Kultur würde ich wirklich gern nochmal eingehen. Was würdest du jemandem raten, der davorsteht. Er hat ein Unternehmen, will es fit machen für die Digitalisierung. Man kann ja nicht ganz konkret sagen, jetzt mach das und das. Aber man kann die Kultur beeinflussen, was würdest du denn da machen?
AM:
Ich würde etwas weiter ausholen. Da gehen wir jetzt etwas von der Digitalisierung tatsächlich weg. Ich würde auch gern ergänzen und etwas zum Thema Kultur sagen. Ja, man braucht ohnehin eine positive Kultur, um erfolgreich zu sein. Da bin ich 100 Prozent bei dir.
Meine Beobachtung der Wirtschaft ist, dass man in der Vergangenheit auch einigermaßen existieren konnte und auch funktionieren konnte ohne eine ziemlich gute Kultur. Ich glaube, dass einfach die Herausforderung oder die Spreu vom Weizen in Zukunft noch klarer getrennt wird. Es werden nur die Unternehmen wirklich überleben, die wirklich einen starken Fokus auf die Digitalisierung setzen, die diesen Wandel, der definitiv kommen wird für jedes Unternehmen früher oder später, dass es nur bestehen kann, wenn man auf Digitalisierung setzt.
Und gleichermaßen glaube ich, kann man nur wirklich eine richtige digitale Transformation durchlaufen, wenn man wirklich auch die Substanz in der Firma hat. Die Substanz ist für mich der Mitarbeiter, der Bock hat auf Veränderung, der anpackt, weil doch erfahrungsgemäß Digitalisierung on top obendrauf kommt. Das heißt, ich habe das Tagesgeschäft, ein bestehendes Produktportfolio, es ist alles schon da und die Leute sind ausgelastet, vielleicht sogar überlastet.
Jetzt kommt Digitalisierung obendrauf, jetzt kommen Veränderungen obendrauf. Ich glaube, dass das gerade viele Firmen überlastet. Vielleicht sogar, dass die daran zerbrechen oder deswegen die Digitalisierung halbherzig passiert oder es in irgendwelche politischen Grabenkämpfe ausartet und nicht wirklich positiv konstruktiv an der eigentlichen Sache gearbeitet wird.
Wenn das nicht stattfindet, wird es einfach schwierig. Was braucht es denn, um eine positive Kultur zu schaffen? Dafür müssen sich die Unternehmen viel damit beschäftigen, wieder eine Sinnhaftigkeit in die Firmen reinzubringen. Das heißt, sich damit zu beschäftigen, warum gibt es die Firma denn überhaupt, was ist der Unternehmenszweck? Wenn man das mal Unternehmer und deren Mitarbeiter fragt, bekommt man doch erstaunliche und häufig sehr unterschiedliche Antworten aus einer Firma.
Das ist die Basis, man braucht einen Unternehmenszweck, wo eine Sinnhaftigkeit drinsteckt, wo ein Mitarbeiter sich auch mit identifizieren kann. Nicht umsonst sind 85 Prozent der deutschen Mitarbeiter laut Gallup wenig bis gar nicht identifiziert mit ihrem Unternehmen, weil sie den Bezug zum Unternehmen ein Stück emotional verloren haben oder nie hatten.
Dann gibt es Dinge, die man braucht, was formt eine Kultur, indem man sich bewusst ist, welche Erfolgsprinzipien ein Unternehmen ausmachen. Firmen nennen das Core Value, Prinzipien, in Deutschland sagen wir gern Werte. Von dieser Begrifflichkeit bin ich kein großer Fan. Ich glaube, es ist sehr wichtig, eine starke Unternehmenskultur zu haben mit wichtigen Prinzipien und Leitplanken, wo jeder weiß, woraus es eigentlich ankommt im Unternehmen. Und darauf aufbauend dann eine klare Strategie zu haben, die diese Stärken, diese Prinzipien, die man hat, nutzt und gleichzeitig auf diesen großen Unternehmenszweck sozusagen einzahlt.
Und das möglichst messbar macht, jedem Mitarbeiter sozusagen in diesen Prozess einbindet. Das war jetzt mal in Kurzform dargestellt, so arbeiten wir bei „GEDANKENtanken“. Ich glaube, da sind wir nicht die Einzigen, die so arbeiten, denn erfolgreiche Unternehmen arbeiten so. Das ist eine gute Basis, um Kultur zu schaffen, darauf aufbauend dann, wenn man diese Strategie hat oder viele digitale Aspekte da sind, fallen die auf einen fruchtbaren Boden.
LB:
Also, unterm Strich zur Digitalisierung: Wenn man sich darauf vorbereiten will, sollte man eine positive Kultur schaffen, auf alles Unvorbereitete vorbereitet sein sozusagen. Wenn ich das mal so zusammenfassen darf.
Aber jetzt habe ich mit meiner Agentur auch viel mit Unternehmen zu tun, da sagen wir ihnen zum Beispiel so ganz profane Dinge wie, ihr müsst mal so eine online Terminvereinbarung machen, einem Handwerksbetrieb. Selbst da stoßen wir oft auf taube Ohren. Was würdest du solchen Unternehmen raten, die selbst solche Kleinigkeiten nicht hinkriegen?
AM:
Ich glaube, dass vielen Unternehmen nicht geholfen werden kann.
LB:
Da fällt einem nichts mehr ein, nicht wahr?
AM:
Über Schmerzen lernen und ich würde mir dann noch überlegen, ob ich mir meine Kunden nicht aussuche. Weil es genug Unternehmen gibt, die Bock haben, sich zu verändern. Leute zum Jagen zu tragen, da hätte ich persönlich jetzt nicht den Anspruch. Jedes Unternehmen zu bekehren und ihnen zu erklären, was in Zukunft wichtig ist und dann auf Beton zu stoßen.
Ich glaube, man kann nicht jedes Unternehmen mitnehmen, aber ich glaube, denen einfach deutlich machen, dass in Zukunft, also, Handwerk ist ein schönes Beispiel. Im Handwerk geht es aktuell ohne. Deswegen meine ich auch, es geht uns zu gut. Die Auftragsbücher sind voll, wir haben einen Bauboom und so weiter. Der sagt einem, ich verdiene genug Geld, was willst du mit einem Buchungssystem? Macht Arbeit, kostet Geld, kenne ich nicht. Warum sollte ich das tun? Dann geht es ihm vielleicht tatsächlich gerade echt zu gut.
Es wird aber die Veränderung kommen und das Bauwesen, das Handwerk, ist ein schönes Beispiel, wo Innovation bisher wirklich fast… Da gibt es in einigen Bereichen ein bisschen Prozess-Innovation, da nutzen inzwischen fast auch die meisten E-Mail und vielleicht haben inzwischen auch die Bauleiter ein Smartphone, wo sie online auf die E-Mails zugreifen können. Das ist dann schon ein sehr innovatives Unternehmen.
Generell wird sich dieses Bauwesen radikal verändern. Man muss mal überlegen, wie ineffizient heute die Kommunikation zwischen Baugewerken ist zum Beispiel. Der Architekt arbeitet noch wie im Steinzeitalter, wie der mit seinen ganzen Dienstleistern kommuniziert. Da wird es irgendwann, ob es in einer Krise ist, ob irgendwann Startups auch das Baugewerbe revolutionieren, weil die plötzlich durch eine effizientere Wertschöpfung konkurrenzfähig werden und die Häuser plötzlich 3D gedruckt werden. Auch da gibt es schon Ansätze. Also, das ist jetzt alles sehr hypothetisch. Ich bin jetzt auch kein Digitalexperte zum Thema Bauwesen, da müsste man sich ein bisschen reinarbeiten.
Man wird aber sehr schnell Szenarien entwickeln können, warum es da in ein paar Jahren fundamental anders aussieht. Und ich kann jetzt anfangen, mich mit dieser digitalen Welt und dieser starken Veränderung auseinanderzusetzen als Handwerksmeister. Jetzt kann es noch richtig Spaß machen, dort Innovationen reinzubringen. Oder ich werde irgendwann zwangsbeglückt und bin zu spät und kann diesen Change gar nicht mehr einleiten.
LB:
Jetzt hast du eine gute Sache gesagt mit der Schnelligkeit, wie es passiert und dass man irgendwann gar nicht mehr mitkommt. Jetzt geht es noch und kann Spaß machen, irgendwann wird es so schnell sein oder so weit fortgeschritten, dass ich nicht mehr mitkomme. Ich habe jetzt schon das Gefühl und gerade letzte Woche einen Vortrag gehalten vor der Zahntechniker-Innung in Niedersachsen, bei dem es um digitales Selbstmanagement ging. Ich war erschrocken, wie wenig Leute da überhaupt mit den einfachsten digitalen Tools arbeiten. Man merkt, der Mensch kommt also gar nicht mehr richtig mit. Welche Verantwortung haben denn Unternehmen hier? Da werden doch ganz viele auf der Strecke bleiben?
AM:
Absolut. Ich habe einen Vortrag gehalten auch in Norddeutschland, nicht bei den Zahntechnikern, sondern bei den Zahnärzten, also gleiche Branche, uninnovativ, wo man nur hinschaut! Völlig altes Weltbild, die haben gar nicht verstanden, wo es hingeht. Die Webseite des Verbands war von gefühlt 1988, unglaublich, dass es so etwas überhaupt noch gibt. Da bin ich selbst auch immer erstaunt. Ich glaube, da werden viele auf der Strecke bleiben und das ist auch wieder ein Bereich, Zahntechnik, ähnlich dem Handwerk, da war der Bedarf bisher nicht da.
In der Vergangenheit war dieser riesen Mehrwert durch Digitalisierung auch, glaube ich, noch nicht wirklich monetarisierbar. Das heißt, da muss man auch erst ein gewisses Verständnis haben, aber es hat sich einfach gewandelt. Jetzt ist der Zeitpunkt, wo man mitmachen muss, in der Vergangenheit hätte man mitmachen können. In Zukunft stellt sich die Frage gar nicht mehr. Wenn man da nicht mitgemacht hat, ist man weg. Das ist meine feste Überzeugung.
Und Zahntechnik ist so ein schönes Beispiel. Da wurde einfach sehr viel Geld verdient, da wird immer noch sehr viel Geld verdient, aber irgendwann wird es einen Tipping Point geben. Banken sind da so ein Beispiel, die sind gerade mittendrin. Wenn man mit Bankvorständen spricht oder auch Versicherungen, unter vorgehaltener Hand natürlich nur, in der Presse äußern sie sich etwas gewählter, sie wissen nicht, was deren Daseinsberechtigung in wenigen Jahren ist.
Ich spreche hier von großen deutschen Raiffeisenbanken, Sparkassen, wo die Vorstände das hinter vorgehaltener Hand sagen. Vor fünf Jahren hätten die gleichen Personen das auch nicht für möglich gehalten, weil es einfach eine recht uninnovative Branche war und der Druck von außen nicht da war. Inzwischen ist er da, weil die Wertschöpfung, die eine Bank hatte, wo man viele Menschen für brauchte, wo man Banklizenzen für brauchte, durch Regulierung auch einen gewissen Schutz hatte.
Startups hatten fast keine Möglichkeiten, dort innovative Produkte zu lancieren. Das hat sich gewandelt durch die Digitalisierung, auch durch die Geldsummen, die heute in Startups stecken, aber auch durch die Möglichkeiten, was kleine Teams heute ermöglichen können, was vor fünf oder zehn Jahren nicht möglich war. Und plötzlich gibt es Wettbewerber, die Banken und Versicherungen wirklich in Scharen die Kunden wegnehmen und deren Daseinsberechtigung infrage stellen.
LB:
Das ist genau die Frage, das ist mir klar jetzt, aber welche Verantwortung haben denn dann Unternehmen jetzt? Viele werden jetzt nicht entkommen, was machen wir denn mit diesen Menschen?
AM:
Der Unternehmer hat sich dem Thema Digitalisierung zu widmen und verdammt noch mal seine Zeit und sein Geld da rein zu investieren. Das heißt, was kann man ganz konkret machen, wenn man nicht ins Silicon Valley fliegen kann oder möchte. Es gibt Bücher zu dem Thema. Christoph Keese empfehle ich immer gerne.
LB:
Super Bücher, ja.
AM:
Wenn man das gelesen hat und dann sagt, mich interessiert das Thema nicht, für mich ist das nichts, dann hat man den Gong nicht gehört. Da gibt es andere tolle Bücher über Silicon Valley, generell um Startup-Kulturen. Es geht nicht darum, dass ich jeden animieren möchte, ein Startup zu gründen. Es geht halt darum, diesen Mindset zu verstehen, wie funktionieren heute innovative agile Unternehmen, wo Innovation stattfindet. Das kann man adaptieren, die Firmen der Zukunft ticken wie heutige Startups in vielerlei Hinsicht, nicht in jeder. Das heißt, man kann sich da viel abgucken und sich in deren Sichtweise einfach reinlesen. Das kann ich einfach ganz konkret empfehlen.
LB:
Aber der Keese sagt auch, dass circa 10 oder 15 Prozent der Menschen, es gibt da eine Studie, nur fähig sind, ihr Schicksal mehr oder weniger in die eigenen Hände zu nehmen. Und die sagen, ich bin selbst dafür verantwortlich, was mit meinem Leben passiert. Viele und das muss gar nicht schlechter sein, sind halt nicht so. Die folgen eher dem Mainstream. Da muss man nur den Braunkohletagebau anschauen, da gibt es Leute, die demonstrieren dafür, gerade hier in NRW zurzeit. Da fragt man sich auch, das sind auch so ewig Gestrige. Die Leute können das gar nicht.
AM:
Unabhängig vom Thema Selbstverantwortung glaube ich tatsächlich, dass wir die gesellschaftliche Herausforderung haben, wir werden in Zukunft weniger Arbeitskraft brauchen. Man kann es jetzt total schrecklich finden, die Mitarbeiter werden nicht mehr gebraucht, es wird Massenentlassungen geben. Aber das ist alles total dramatisch und schlimm.
Jetzt kann man aber auch eine andere Sichtweise haben. In der gesamten Menschheitsgeschichte ist die nötige Arbeitskraft immer weiter gesunken. Wenn ich früher ein Leben führen wollte, musste ich 16 Stunden pro Tag jagen, Beeren sammeln, meine Höhle bewachen, mein Dach immer wieder ausbessern, weil es vom Wind wegflog. Ich musste richtig schaffen, um mich und meine Familie irgendwie durchzubringen. Heute kann ich das in einer 37,5-Stunden-Woche hinbekommen. Da mache ich meinen Rücken heute in den meisten Jobs nicht mehr kaputt, wenn ich mal zwei Jahre arbeitslos bin, bekomme ich auch noch eine entsprechende Absicherung. Ich arbeite erst, nachdem ich mein Studium fertig habe und Bafög bekommen habe, mit Mitte 20. Und in Frührente gehe ich mit 62 usw.
Das heißt, wir haben schon immer weniger arbeiten müssen, weil die Wertschöpfung immer größer wird, weil der Automatisierungsgrad immer größer wird. Das wird in Zukunft exponentiell zunehmen. Wir werden nicht mehr alle Arbeitskräfte brauchen. Das kann man total positiv sehen, dass man nicht nur weniger Stunden arbeiten muss, sondern dass ich im Arbeitsleben gar nicht mehr gebraucht bin und der Mensch sich wieder auf das fokussieren kann, wo er richtig Bock drauf hat. Wo wirklich menschliche Begegnung stattfindet. Wir haben ganz viele Kapazitäten frei, die sich um Kinder und mit einer alternden Bevölkerung auseinandersetzen können.
Weil sich die Roboter meinetwegen um die Pflege der Älteren kümmern, das Bringen, das Kochen von Essen etc., aber den menschlichen Kontakt zu älter werdenden Menschen, zu Senioren, zu Leuten, die sozusagen am Ende ihres Lebens sind, da ist wieder Kapazität und Zeit für da, wo heute in der Pflege beispielsweise ein riesen Mangel herrscht. Wir können es auch total positiv sehen, dass wir uns um die Dinge des Lebens kümmern können, wo der Mensch eigentlich richtig Bock drauf hat, wo Begegnung stattfindet, wo die Leute aufgehen und sich selbst verwirklichen.
Die Herausforderung wird natürlich sein, wie wir das gesellschaftlich abfedern im Sinne einer Umverteilung. Die Wertschöpfung geht immer mehr auf ein paar große Firmen, Software is eating the world. Das heißt, Softwarefirmen etc., Firmen, die die Daten haben, da findet in Zukunft die Wertschöpfung statt. Die brauchen immer weniger Mitarbeiter, um diese Wertschöpfung hinzubekommen. Und es wird natürlich die Frage sein, wie die entlohnt sein, Stichwort bedingungsloses Grundeinkommen usw., dessen Arbeitsleistung in der Gesellschaft nicht mehr gebraucht wird.
Es wird natürlich zu sozialem Unfrieden kommen, zu Ungerechtigkeit gesellschaftlich, wenn die natürlich an der Gesellschaft nicht mehr teilhaben können. Und diese Lösung haben wir sicherlich noch nicht. Wir haben jetzt schon soziale Spannungen ein Stückweit, obwohl es uns theoretisch gut geht. Die Herausforderung wird sicherlich in Zukunft enorm zunehmen.
LB:
Ich finde es schön, dass du es so positiv darstellst, so sehe ich es auch. Und ich glaube einfach an die Menschheit, dass wir auch diese Revolution, in der wir mittendrin sind, dass wir auch die meistern werden.
AM:
Absolut. Es gibt für jedes Problem, was es auf der Erde gibt, schon Technologien oder zumindest ist es absehbar, dass es sie geben wird, die jedes Problem lösen kann. Wir müssen uns als Menschen nur sozusagen zusammenraufen und uns nicht gegenseitig die Schädel einhauen oder Bomben werfen. Das ist eigentlich unser einziges „Problem“, was es in Zukunft noch geben wird.
LB:
Es gibt sogar eine Studie, die ist gar nicht so alt, ich glaube, ich habe sie vor einem dreiviertel Jahr gelesen von der UN, dass die Digitalisierung bis heute zum Beispiel noch keinen Job gekostet hat. Die Jobs, die da entstehen durch den digitalen Wandel, machen das zurzeit wieder wett, was es an Jobs kosten wird. Aber selbst Bill Gates macht sich darüber Gedanken. Er hat gesagt, wir müssen Roboter besteuern usw., da wird sicherlich einiges auf uns zukommen. Aber ich glaube an die Menschheit und du auch, dass wir auch das geregelt kriegen.
AM:
Es gibt aktuelle Studien zur Vergangenheit, mir ist aber keine Studie bekannt, die das in die Zukunft vorausführt. Da ist die Meinung relativ einhellig, dass das abnehmen wird.
LB:
Ja klar, okay. Machen wir mal einen Schluss. Über die Digitalisierung können wir sicherlich noch Stunden sprechen. Wir sind jetzt auch mit in die Verantwortung gegangen, auch das ist ein super spannendes Thema, welche Verantwortung Unternehmer haben und wie man sein Unternehmen aufstellen sollte, um da überhaupt gewappnet zu sein. Bis hierhin vielen Dank, Alex.
Kommen wir jetzt mal zu den Schlussfragen. Welcher ist denn dein wichtigster Produktivitätstipp?
AM:
Kannst du es etwas eingrenzen?
LB:
Effizienztipp, wie arbeitest du effizient?
AM:
Ich überlege mir immer wieder auf unterschiedlichsten Ebenen, worauf es wirklich ankommt. Einmal im Jahr mache ich ein Retreat für mich persönlich, wo ich herausfinde, worauf es mir im Leben überhaupt ankommt. Wo es auf einer sehr hohen Ebene sozusagen stattfindet, mein Fokus. Im Strategien Bereich des Unternehmens mache ich es mehrfach jährlich und überlege, worauf kommt es gerade wirklich an. Auf Quartalsebene, Abteilung, für jeden Mitarbeiter machen wir uns da Gedanken. Was sind die vier bis sechs Punkte dieses Quartals, was für die Unternehmen. Also, sich immer wieder aus dem Alltag rausziehen und überlegen für alle Bereiche, unterschiedlichste Zeitzyklen, worauf kommt es wirklich an.
LB:
Das ist echt super interessant. Ich habe auch deinen Partner Stefan Frädrich interviewt. Du sagst, auf die Ziele kommt es an, da bin ich bei dir. Ich sehe es genauso. Und Stefan Frädrich sieht es ganz anders, er findet sich im Flow sehr erfolgreich.
AM:
Ich kann dir tatsächlich nicht sagen, was er dazu gesagt hat, aber wir haben tatsächlich eine klare Aufgabenteilung. Ich führe die Unternehmung genau mit dieser Herangehensweise und das auch zu seiner Zufriedenheit. Er ist tatsächlich der Selbständige, der auf den Bühnen dieser Welt zuhause ist, der sehr stark inhaltlich arbeitet, der wahrscheinlich auch eine andere persönliche Arbeitsweise für sich gefunden hat, das stimmt.
LB:
Genau, aber dein wichtigster Produktivitätstipp, immer wieder die Ziele vor Augen führen, super. Was machst du als Unternehmer, um abzuschalten?
AM:
Ich habe hier Prioritäten genannt, ich weiß auch, was er mit Zielen meint und warum er nicht auf Ziele steht, aber es ist eine Mischung. Es ist nicht unbedingt ein klares Ziel, sondern vielmehr eine Priorität, wo möchte ich meinen Fokus drauflegen. Das kann dann mit einem Ziel verknüpft sein. Das heißt nicht, dass man dem Ziel hinterherhecheln muss. Was ist das Wesentliche, worauf kommt es wesentlich an. Das muss nicht unbedingt ein Ziel sein.
LB:
Okay. Was machst du denn jetzt als Unternehmer, um abzuschalten?
AM:
Vielleicht hat da jemand einen Tipp für mich? Es gelingt mir, zumindest die meiste Zeit, sehr gut abzuschalten. Ich habe aber diese Inseln der Ruhe, wo ich mich wirklich ganz, meist zweimal jährlich eine Woche, rausziehe. Ich mache dann Retreats, Meditations-Retreats, Persönlichkeitsentwicklung-Seminare. Das brauche ich tatsächlich, weil ich einen sehr intensiven Alltag habe durch Herausforderungen etc. Das ist etwas, was mich sozusagen immer wieder erdet und mir persönlich hilft, mich zu entspannen.
LB:
Oder du gehst mit deinem Hund (Anmerkung: kläfft im Hintergrund).
AM:
Das ist unser Bürohund, den wir gerade gehört haben, die Kollegen haben den gerade schon eingefangen, weil die wissen, dass ich gerade hier einen Podcast aufnehme.
LB:
Okay, alles gut. Welche Apps oder welchen Internetdienst kannst du denn der Selbstmanagement. Digital. Community empfehlen?
AM:
Ich nutze für mich persönlich Todoist, so ähnlich wie Wunderlist, ein ganz einfaches To-Do-Tool. Wir haben gerade im Unternehmen, das heißt, wer eine Organisation hat, ab 3, 5 Mitarbeitern oder noch mehr, das Tool „15Five“ eingeführt. Da geht es genau darum, das, was ich gerade gesagt habe, und zwar, dass jeder Mitarbeiter für sich trackt, was sind seine wichtigsten Themen. Die werden festgelegt und darüber kann man wunderbare Supporting-Strukturen innerhalb eines Unternehmens abbilden, dass jeder Mitarbeiter wirklich auf seine Prioritäten fokussiert arbeitet und im Team immer wieder darüber sprechen kann. Zum Thema Prioritätenmanagement innerhalb eines Unternehmens ist das ein geniales Tool, was ich jedem ans Herz legen kann.
LB:
Super, es ist das erste Mal, dass ich das hier höre, wird natürlich hier verlinkt. Welches Buch hat dich als Unternehmer und Mensch am meisten geprägt?
AM:
Ich habe gerade von dem Thema Unternehmenskultur gesprochen, dass es sinnvoll ist, einen Unternehmenszweck zu haben, Grundprinzipien als Unternehmen zu erarbeiten, eine smarte Strategie und dann darauf aufbauend das auch sehr stark messbar zu machen wie gerade ausgeführt.
Da gibt es ein Buch, was für mich ein gewisser Durchbruch war, weil da vieles, was ich vorher schon gemacht habe, drin stand, aber alles noch viel weitergedacht und ganzheitlicher. Das Buch heißt „Scaling Up“ von Verne Harnish. Ein unglaublich gutes Buch zum Thema Unternehmensmanagement. Das Beste, was ich je in die Finger bekommen habe. Es ist erschreckend, wie unbekannt es dann doch im Alltag bei Unternehmern ist.
LB:
Das sehe ich auch so, finde ich auch ein super Buch, war auch in meiner Leseempfehlung für 2018. Es ist wirklich ein hammer Buch. Ich glaube, das gibt es mittlerweile auch auf Deutsch?
AM:
Ja.
LB:
Welches ist denn der beste Ratschlag, den du jemals erhalten hast?
AM:
Mache das, worauf du richtig Bock hast und du drin aufgehst.
LB:
Du musst nie wieder arbeiten, wenn du einmal so etwas gefunden hast, wo du richtig drin aufgehst.
AM:
So ist es.
LB:
Jetzt kommt die letzte Frage, bevor wir uns verabschieden, wo finden wir deine Inhalte, wo kann die Selbstmanagement. Digital. Community dich im Netz finden und mit dir in Kontakt treten?
AM:
Mich persönlich auf meiner Webseite: alexandermueller.com. Aber ich glaube, um meine Arbeit erleben zu können, ist es tatsächlich indirekt einfacher, man schaut sich GEDANKENtanken an. Unser YouTube-Channel mit ca. 2,5 Millionen Views monatlich. Da findet man unglaublich viele Inhalte, die inspirierend sind. GEDANKENtanken einfach mal bei YouTube eingeben oder auf unserer Webseite gedankentanken.com unseren Podcast für die Podcast-Hörer, vielleicht auch spannend. Da bekommt man einen Eindruck über die Themen, mit denen ich mich beschäftige und natürlich womit wir uns bei GEDANKENtanken beschäftigen.
LB:
Super, werden wir hier natürlich verlinken, wobei, GEDANKENtanken ist in der Businesswelt schon sehr gut bekannt. Alex, vielen Dank, dass du uns so einen tollen Einblick gegeben hast, was da auf uns zurollt. Und ich hoffe, der eine oder andere konnte etwas mitnehmen. Alex, vielen Dank dir auf jeden Fall.
AM:
Herzlichen Dank, Lars.
LB:
Und Euch wünsche ich natürlich wieder mehr Zeit für die wirklich wichtigen Dinge im Leben.
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