Die Idee hat mich von Anfang an fasziniert. Ein Laptop, auf dem nur ein Browser läuft, sonst nichts. Keine Apps, keine Installations- und Update-Orgien, ganz einfach und schlank. Ressourcen- und nervenschonend…

Als vor ein paar Wochen ein Mitarbeiter ein neues MacBook brauchte, war die Zeit des Chromebook-Selbstversuches gekommen. Selbstlos, wie ich auch manchmal sein kann, habe ich mein MacBook weitergereicht und mir das Acer C720P Chromebook bestellt.

Mit jeder Menge Gottvertrauen und Pioniergeist habe ich mich in das Abenteuer ‚Chromebook only‘ gestürzt.

Nach mehreren Wochen des Selbstversuches und an Erkenntnissen und grauen Haaren reicher, hier nun mein Fazit:

The Good

Die Idee

Die Grundidee finde ich super: Das Chromebook ist mehr oder weniger ein Terminal und alles läuft und liegt irgendwo auf ausgelagerten Servern. Hatten wir das nicht schon einmal vor ca. 30 Jahren?

Keine Apps zu installieren, keine Updates, keine Backups, keine Treiber, ständige Verfügbarkeit (bei Internetzugang), alles toll.

Da ich ein Cloud-Junkie bin, scheint das Konzept wie für mich gemacht. Meine Daten liegen eh (fast) alle in diversen Cloud-Diensten (Evernote, Google Drive). Für wen, wenn nicht für mich, sollte ein Chromebook sonst konzipiert sein?

Preis

Das Acer C720P hat mich sage und schreibe € 260,- gekostet!!! Wahnsinn, mein letztes MacBook (15“, Retina) war mehr als zehn mal so teuer.

Verarbeitung

Ich habe bei dem Preis nicht viel erwartet, logisch. Dafür war das Gerät sehr ordentlich verarbeitet. Zwar komplett aus Plastik, aber kein billiger Ramsch. Die Tastatur ist ok und auch mit dem Trackpad kann man arbeiten. Bei dem günstigen Preis nicht selbstverständlich.

Hochfahren

Von ‚Hochfahren‘ kann man eigentlich gar nicht sprechen. Das Chromebook ist nach dem Einschalten einfach da, ohne Wartezeit.

Fokussierung

Man muss sich den ganzen Google Diensten verschrieben haben, nur dann macht ein Chromebook Sinn.

Ich habe drei Google Accounts: Einen privaten und jeweils einen für jedes meiner Unternehmen (ISOTEC, LB Online Marketing). Für jeden Account habe ich einen eigenes Profil angelegt und konnte sofort sämtliche Google Dienste wie Gmail, Drive, Docs, Tabellen oder Kalender nutzen. Klasse.

Durch diese strikte Trennung der Konten habe ich die Fokussierung bei meiner Arbeit deutlich erhöhen können. Wenn ich mich mit meiner Agentur beschäftigt habe, hatte ich auch wirklich nur das entsprechende Umfeld zur Verfügung und keine privaten Emails oder Besprechungseinladungen aus meinem ISOTEC-Fachbetrieb kamen dazwischen.

Das war eine neue und absolut positive Erfahrung für mich.

Touchscreen

Wie oft habe ich nach dem Arbeiten am iPad versucht, mein MacBook mit Bildschirmberührung zu steuern (bin ich da eigentlich der Einzige?). Bei einem Chromebook kein Problem, da diese quasi als Standard mit einem Touchscreen ausgeliefert wird. Sehr praktisch.

Google Drive

Mit dem Asus gab es 100 GB Google Drive Speicherplatz für zwei Jahre geschenkt.

The Bad

Der Bildschirm

Mir kam der Bildschirm des Chromebook von Anfang an sehr unscharf und matschig vor. Als würde dort eine Nebelwand, wie vor der Eiger-Nordwand, festhängen. Natürlich sind meine Augen von Retina-Displays verwöhnt und eventuell kein objektiver Maßstab.

Fotos

Meine Fotos sind auf meinem iMac und teilweise im Apple Fotostream. Auf dem Chromebook hatte ich keinerlei Zugriff. Ich habe mich dann mit den Foto-Cloud-Diensten beschäftigen müssen. Sehr interessant. Dazu wird es demnächst mal einen eigenen Artikel geben.

Google Präsentationen

In meiner Agentur arbeiten wir viel mit den browserbasierten Google Docs und Tabellen. Das funktioniert wirklich gut und die dort zur Verfügung stehenden Funktionen sind auch absolut ausreichend.

Mit den Google Präsentationen konnte ich mich dagegen nicht anfreunden. Ich bin das schicke Interface und auch die Möglichkeiten von Keynote gewöhnt und darauf möchte ich bei einer Kundenpräsentation nicht verzichten. Die musste ich dann abends zu Hause am iMac erstellen. Passend, da lagen auch die notwendigen Fotos.

Unterwegs

Ohne WiFi ist das Chromebook aufgeschmissen. Unterwegs, ohne freies Wlan, musste ich mein iPhone oder iPad oft zum Hotspot umfunktionieren und das frisst wertvolle Akkulaufzeit. Da habe ich dann lieber direkt mit meinem iPad inkl. Keyboard-Cover gearbeitet.

The Ugly

Google Accounts

Ohne Google-Account geht hier nichts, gar nichts. Kein Google-Konto, kein Chromebook, ganz einfach.

Das Handling

Sicherlich ist alles eine Frage der Gewöhnung, aber es gibt teilweise Bereiche, mit denen mache ich es mir mit dem Chromebook unnötig schwer.

Ich habe zum Beispiel bis heute noch keinen einfachen und sinnvollen Weg gefunden, Dateien in Evernote abzulegen. Ähnlich erging es mir bei der Erstellung eines neuen Blogartikels. Allein bei dem Hinzufügen von Fotos die reinste Katastrophe.

Programme

Nicht browserbasierte Apps können mit dem Chromebook einfach nicht genutzt werden. Viele meiner Lieblings-Apps wie Mailbox und DayOne blieben außen vor. Besonders schmerzhaft war es bei 1Password.

Durch den praktischen Passwortgenerator von 1Password sind meine Passwörter mittlerweile alle unterschiedlich, kryptisch und ewig lang. So wie es sein sollte. Wollte ich mich zum Beispiel bei Shutterstock einloggen, so musste ich 1Password auf meinem iPhone starten, das Passwort ablesen und in das Chromebook eintippen. Und eins ist klar: Passwörter mit 20 Zeichen, Ziffern, Groß- und Kleinschreibung gibt man nicht immer auf Anhieb korrekt ein…

Fazit

Auch wenn die Idee super ist, liegen die Tücken im Detail.

Nur mit einem Chromebook, ohne mein iMac oder iPad, wäre ich aufgeschmissen gewesen. Für viele Routineaufgaben habe ich immer wieder zum iPad und iMac greifen müssen.

Um mal eben Emails zu beantworten, einen Text zu schreiben oder im Internet zu surfen, ist das Chromebook ideal und aufgrund des Preises auch unschlagbar. Abstriche muss man im Handling mit Dateien und dem generellen Workflow machen.

Nach ein paar Wochen des Durchquälens habe ich mein iMac jetzt im Büro stehen und mein Chromebook liegt auf meinem Schreibtisch im Homeoffice. So war es zwar nicht gedacht, passt aber deutlich besser. Hier habe ich auch immer WLAN.

Was habe ich mitgenommen?

Die Trennung der einzelnen Google-Accounts fand ich so super, dass ich mir auf meinem Mac jetzt unterschiedliche Profile für meine Arbeitsbereiche angelegt habe. Das erhöht die Fokussierung und damit die Produktivität ungemein. Solltet Ihr mal probieren!

Habt Ihr Erfahrungen mit einem Chromebook? Würdet Ihr Euch eins zulegen? Ich freue mich auf unseren Austausch in den Kommentaren.