Seit ca. 2 Jahren arbeite ich mit Evernote. Aktuell zu 90% noch alleine, nur wenige Notizen habe ich mit anderen Personen geteilt. Aber inzwischen ist es zu meinem eigenen Informationssystem geworden, in dem sich hunderte Notizen angesammelt haben.

Die Art der Notizen und deren Verwendung sind vielfältig. Angefangen von Rechnungen, die u.A. Garantie Relevanz haben, bis hin zu Checklisten und ToDo’s, die zur Organisation meines Tagesablaufes dienen, ist vieles in Evernote enthalten.

Motivation

Ich selber bin Legastheniker. Damit verbunden habe ich zwei Probleme:

1. Ich kann nicht davon ausgehen, dass ich Begriffe immer richtig schreibe
2. Ich kann mir Begriffe und Namen (z.B. auch Projektnamen) sehr schlecht merken

In Summe führt das dazu, dass ich nur auf Basis von Volltext-Suchen nur sehr mässige Ergebnisse bekomme. Abgesehen davon, fallen mir die zu suchenden Begriff erst gar nicht ein. Aus diesem Grund war ich schon immer darauf angewiesen meine Daten sehr strukturiert abzulegen und habe mich seit Jahren mit dem Thema Metastruktur und Taxonomie auseinander gesetzt.

Heute ist das enorm hilfreich. Die Informationsflut ist ganz allgemein sowohl im Umfang, als auch in der Komplexität extrem angewachsen. Inzwischen stelle ich immer wieder fest, dass ich inzwischen, trotz meiner Legasthenie, sehr viel effizienter damit umgehen kann als mein Umfeld. Das ist der Grund warum ich meine Denkweisen und Strukturen einfach einmal vorstellen möchte. Eventuell hilft es ja noch anderen dabei mit der steigenden Flut an Informationen und Daten effizienter umzugehen.

Grundsätzliche Gedanken zur Ablagestruktur von Notizen in Evernote

Je umfangreicher Informationen sind, desto präziser sollten die Suchen funktionieren. Eine Suche, die zu viele Ergebnisse liefert (unübersichtlich) und zu viele weitere mögliche Treffer NICHT zeigt, weil sie in der Suche nicht adressiert wurden (Schreibfehler, falsches oder fehlendes Schlagwort …) ist nicht sehr hilfreich.

Voraussetzung für präzise Suchergebnisse ist eine Metastruktur mit präziser Taxonomie (Begrifflichkeit und deren Syntax). Ein paar Beispiele sollen das verdeutlichen.

Z.B. die Suche nach dem Wort ‚Kohl‘ beinhaltet sehr viele Freiheitsgrade. Es wird sowohl im Kontext von ‚Pflanzen‘ als auch im Kontext ‚Politik‘ Ergebnisse liefern, aber nur eines der beiden wird von Interesse sein. Es gibt auch einen Tischler namens Kohl und sicher noch viele weitere Personen, die so heissen. Auch diese werden in der Suche alle aufgeführt sein.

Selbst wenn wir den Begriff ‚Kohl‘ mit dem Kontext ‚Pflanze’ erweitern, bekommen wir bei Google 339.000 Suchergebnisse. Suchen wir z.B. ein Rezept zum Thema Kohl, können wir Kohl im Kontext von ‚Rezept‘ suchen, aber auch dann werden wir z.B. nur Rezepte im deutschsprachigen Raum bekommen. Sonst hätten wir den Kontext um ‚recipe‘ erweitern müssen. Alles was nicht explizit im Kontext von ‚Rezept‘ steht, sondern z.B. unter ‚Die schmackhaftesten Gerichte und wie man sie kocht‘ wird in unserer Suche nicht auftauchen.

Das mag bei Google-Suchen o.k. sein, aber ich möchte in meinem Businessumfeld verlässliche Suchen haben, die mich in wenigen Sekunden zur richtigen Information führen.

Die Lösung ist die Definition von Schlagworten und deren semantische Zuordnung. Das Ganze ist dann unter „Tagging“ bekannt.

Je präziser die Struktur der Tagging-Begriffe definiert ist, desto präziser werden die Suchergebnisse ausfallen, und desto effizienter wird der Umgang mit grossen Datenmengen.

Vorteile des Taggens

Die Verwendung von Tags gegenüber Notizbüchern in Evernote hat zwei Vorteile:

1. Notizbücher sind eindimensional und können nur auf einer Ebene verschachtelt werden. Tags können in Evernote in unendlich vielen Ebenen verschachtelt werden.
2. Der weitaus grössere Vorteil ist die mehrdimensionale (orthogonale) Verwendung von Tags.

Letzteres möchte ich an einem Beispiel verdeutlichen:

Ich habe mir ein neues Haushaltsgerät im Internet bestellt und dieses wurde auf Rechnung geliefert. Je nach Kontext kann diese Rechnung unterschiedlich in einer Struktur abgelegt werden. Nehmen wir an dieser Stelle einfach nur zwei Ebenen.

1. Die Rechnung muss zum Nachweis der Garantie aufbewahrt werden.
2. Die Rechnung muss noch überwiesen werden.

In einer Ordner-Struktur (Evernote Notizbücher) kann die eingescannte Rechnung nur in jeweils einem Notizbuch abgelegt werden. Würde ich sie unter „Rechnung für Garantie“ ablegen, könnte ich sie nicht gleichzeitig im Notizbuch „ToDo“ ablegen.

Mit Tags ist das möglich. Ich könnte die Notiz, in der die Rechnung abgelegt ist, z.B. mit folgenden Begriffen taggen:

„Rechnung“, „Garantie“‚ „Haushaltsgerät“‚ „ToDo“

Das hat mehrere Vorteile. Nicht alle Rechnungen sind garantierelevant und eventuell gibt es noch eine begleitende Garantieurkunde, die abgeschickt werden muss. Unabhängig voneinander kann jede einzelne Notiz präzise entsprechend seinem Kontext getaggt werden. Alle Garantie zugehörigen Notizen können mit „Garantie“ getaggt werden und gleichzeitig können sie im Kontext eines Workflows strukturiert werden, ohne sie aus ihrem Kontext „Garantie“ zu lösen. Das ist mit Ordnern nicht möglich.

Auf dieser Philosophie der Ortogonalität habe ich die Metastruktur aufgebaut, die ich folgend darstellen werden.

Evernote Strukturelemente

Trotzdem erscheint es mir nicht sinnvoll, die Evernote Notizen ausschließlich auf Basis von Tags zu strukturieren. Es gibt noch einen Bereich, in dem sich die Notizbücher im Sinn von Ordnern besser zur Strukturierung eignen.

Das ist, wenn Notizen für andere Personen freigegeben werden sollen (sharing). Häufig sind das nicht einzelne Notizen, sondern alle Notizen zu einem Projekt, oder die in einem bestimmten Kontext stehen.

Mehrere Notizen zum Sharen freizugeben ist in Evernote nicht auf Basis von Tags, sondern nur auf Basis von Notizbüchern möglich.

Folgend die wesentlichen Eigenschaften der Evernote Strukturelemente. Diese sollten bei dem Aufbau einer Metastruktur berücksichtigt werden.

Notizen (Note)

  • können in Notizbüchern abgelegt werden (zeitgleich immer nur in einem Notizbuch)
  • können Tags zugewiesen bekommen (mehrere orthogonal möglich)
  • sind das kleinste mögliche Behältnis zur Ablage der Informationen
  • können in der Seitenleiste als Schnellzugriff abgelegt werden

Notizbücher (Notebook)

  • Keine verschachtelten Hierarchien möglich
  • Können inkl. den beinhalteten Notizen für andere Personen freigegeben (Shared) werden
  • Eine Notiz kann zum selben Augenblick immer nur in einem Notizbuch abgelegt werden
  • Können in der Seitenleiste für den Schnellzugriff abgelegt werden

Tags (Tags)

  • Einer Notiz können gleichzeitig mehrere Tags zugeordnet werden
  • Die Struktur der Tags ist auch in hierarchischen Ebenen (unbegrenzte Tiefe) möglich
  • Können in der Seitenleiste als dynamische Suchen für den Schnellzugriff abgelegt werden
  • Auf Basis von Tags können Notizen NICHT für andere Personen freigegeben (Shared) werden

Aufbau der Struktur als praktisches Beispiel

Auf Grund dessen, dass nur auf Basis von Notizbüchern Notizen zum Teilen freigegeben werden können, habe ich eine Ebene der Struktur mit genau diesem Ziel auf Basis von Notizbüchern aufgebaut.

Alle anderen konzeptuellen Metastruktur-Ebenen wurden auf Basis von Tags aufgebaut. Im Wesentlichen gibt es hier folgende orthogonale Ebenen. (Orthogonal bedeutet, dass deren parallele Existenz sinnvoll ist. Im Idealfall bekommt jede Notiz aus jeder orthogonalen Ebene genau einen Tag zugewiesen. In der Praxis ist das leider nicht immer so eindeutig möglich)

1. Workflow (Productivity)
2. Type der abgelegten Information (Type und Rubrik)
3. Semantischer Kontext (Beruflich, Hobby, Persönlich …
4. Einem konkreten Objekt zugewiesen (Projekt MESCONF, Yamaha SR 500, Immobile Obersdorf, Mitarbeiter Müller …)

Die ersten 3 Ebenen sind grundsätzlich allgemeingültig und sehr langfristig angelegt. Die 4. Ebene ändert sich mit den Objekten, die mein Leben umgeben. Z.B. könnte es sein, dass wenn ein Mitarbeiter ausscheidet auch der Tagging-Begriff „Mitarbeiter Müller“ gelöscht wird und die Notiz mit‚ „Mitarbeiter ausgeschieden“ getaggt wird. Die Liste der Objekte sollte so klein sein, dass sie noch übersichtlich handhabbar bleibt. Es bekommen also nur Objekte einen eigenen Tagging-Begriff, die eine gewisse Relevanz in meinem Leben spielen.

Hier eine Übersicht über die dabei entstandene Struktur:

Andreas Willert SETUP

Das Arbeiten mit dieser Struktur in Evernote

In der Seitenleiste habe ich mir die Tags zur Abbildung meines Workflows abgelegt. Grundsätzlich tagge ich jede Notiz erst einmal entsprechend seinem natürlichen Kontext. Z.B. ty.rechnung; in.imob.oberstorf; in.nebenkosten.

Muss diese Rechnung noch überwiesen werden, ziehe ich sie einfach (drag & drop) in die Seitenleiste auf den Tag „pr.todo 1-W&D“, damit ist die Notiz parallel auch in meinem Workflow berücksichtigt.

Was genau mit der Notiz im Workflow zu geschehen hat, trage ich mit einem ToDo innerhalb der Notiz ein.

Das Ganze sieht dann so aus:

Andreas Willert SETUP

Das Wiederfinden dieser Notiz ist jetzt sehr effizient aus den verschiedenen Kontexten mit der entsprechenden Suchabfragen möglich.

Z.B. in der Kombination aller „Rechnungen“ zur „Immobilie Oberdorf“ oder zur Erstellung der Nebenkosten Abrechnung mit der Suchkombination „Immobilie Oberdorf“ und „Nebenkostenabrechnung“.

Parallel wird mir die Rechnung selbstverständlich im Workflow unter „ToDo Wichtig&Dringend“ angezeigt, da sie noch überwiesen und eine Kopie an den Steuerberater geschickt werden muss.

Evtl. wundern Sie sich, warum den Namen der Tags immer noch Kürzel vorangestellt sind. Das dient der Taxonomie und damit ist gewährleistet, dass das Taggen an sich effizient möglich ist.

Andreas Willert SETUP

Ich habe mir angewöhnt jede Notiz in mindestens zwei orthogonalen Ebenen zu taggen. Eine Ebene ist Type und/oder Rubrik, die andere der semantische Kontext. Damit das leicht möglich ist, muss ich beim Taggen nur die ersten Kürzel angeben und mir werden in der Auswahl alle dieser Kategorie angehörigen Tags angezeigt und ich kann den Tag einfach aus der Liste auswählen. Habe ich nicht mehr alle Tagging-Kategorien genau im Kopf, gebe ich einfach einen „.“ ein und es wird mir die Liste mit allen Oberkategorien angezeigt.

Andreas Willert SETUP

Ich lege niemals neue Tags an, die nicht vorher sauber in der Metastruktur definiert wurden. Ich verwende ausschließlich in der Metastruktur definierte Tags.

Das ist die wichtige Voraussetzung um eineindeutige und vollständige Suchergebnisse zu bekommen.

In dem „Bubble Browser“ mit wenigen Klicks zur gesuchten Notiz

Auf dieser Basis der getaggten Notizen können in Evernote sehr effiziente Suchen definiert werden. Aber es gibt noch eine weit darüber hinausgehende Möglichkeit seine Notizen zu finden. Diese basiert auf der App „Bubble Browser“, die für alle Apple Anwender verfügbar ist.

Andreas Willert SETUP

Der Bubble Browser stellt die Tags als Bubbles dar. Wird ein Bubble ausgewählt, schrumpft die Anzahl der Bubbles und es bleiben nur noch die Bubbles übrig, zu denen die ausgewählten Notizen weitere Tags haben. Auf Grund der Vielfalt der Tags (Bubbles) kann die erste Auswahl auch alphabetisch vorgenommen werden. (Wie auf der linken Seite der Abbildung zu sehen.) In der rechten Spalte werden alle Notizen angezeigt, die den angewählten Tags entsprechen. Das sind zu Anfang immer noch sehr viele, die sich mit jedem weiteren ausgewählten Tag weiter reduzieren. Am Ende bleiben in dem Beispiel der Abbildungen nur noch zwei Notizen übrig, die den ausgewählten Tags entsprechen.

Andreas Willert SETUP

Auf dieser Basis finde ich in 90% der Fälle mit 2-4 Klicks die gesuchte Notiz aus meinen inzwischen tausenden Notizen.

Andreas Willert SETUP

Fragen beantworte ich gern.

Viele Grüße, Andreas

Habt Ihr Fragen zu Andreas Setup? Wer nutzt auch Evernote? Ich freue mich auf die Diskussion in den Kommentaren.