Carola Reetz ist Anwältin, Mediatorin und Dozentin. Auf einem Anwaltskongress vor ein paar Jahren nahm sie an einem Workshop teil zum Thema digitales Arbeiten. Zwei Jahre später hat sie sich auf den Weg gemacht zum papierlosen Büro. Sie hat gute Erfahrungen damit gemacht, findet vor Gericht ihre Schriftstücke schneller als alle Kollegen.
Für Ihre Klienten hat sie ein Merkblatt vorbereitet mit allen Hinweisen, die das digitale Arbeiten mit sich bringt. Ihre Cloud befindet sich in der Schweiz, das ist wohl der wichtigste Aspekt. Keine vertraulichen Daten dürfen die Landesgrenze überschreiten. Wie macht sie das mit all ihren Apps? Das erklärt sie hier sehr detailliert.
Hier das Transkript des gesamten Podcasts und vorab die erwähnten Sponsoren und Links:
Sponsoren
Vario Software AG
MDD Selbstmanagement Akademie
Links
Kontakt
http://www.e-advokatur.ch/
http://www.carolareetz.ch/
Erwähnte Tools und Apps
E-Post-Office der Schweizerischen Post
Schweizer Cloud
Notability
Teamviewer
Buchtipps
Verena Steiner: Energiekompetenz, 2005/2014
Alex Soojung-Kim Pang: Pause. Tue weniger, erreiche mehr, 2017
Transcript
CR = Carola Reetz
LB = Lars Bobach
LB: Herzlich willkommen zum Podcast „Produktiv in digitalen Zeiten“. Wir geben Orientierung im digitalen Dschungel, so dass wieder mehr Zeit für die wirklich wichtigen Dinge im Leben bleibt. Mein Name ist Lars Bobach und ich sitze heute hier zusammen mit der Carola Reetz, hallo Carola.
CR: Hallo Lars. Freut mich, danke.
LB: Ja, ich freue mich auch sehr. Carola ist Schweizerin, das hat man jetzt noch gar nicht gehört. Hört man auch gar nicht, sie spricht sehr gutes Hochdeutsch. Anwältin, Mediatorin und Dozentin. Sie ist Rechtsanwältin und da wird ja immer sehr viel Papier produziert. Carola hat sich da auf den Weg gemacht, diese Papierberge zu reduzieren. Das finde ich wirklich sehr erstaunlich. Gerade auch, weil natürlich die Sicherheitsvorkehrungen, Datenschutzbestimmungen, usw. im Rechtsanwaltsberuf garantiert noch andere sind als wenn man eine normale Firma führt.
Sie hat mir eine E-Mail geschrieben zu dieser Serie, raus aus dem Papierchaos, die ich gestartet habe. Hier auch noch mal die Bitte an alle, die zuhören: Wenn Ihr Interesse habt, hier auch mal von mir interviewt zu werden, wie Ihr Euch auf den Weg zum papierlosen Büro gemacht habt, schickt mir bitte eine E-Mail, einfach an office@larsbobach.de. So, Carola, heute schon gescannt?
CR: Ja klar. Kommt zwar immer seltener vor, aber heute kam eine Verfügung eines Gerichts, der letzte Gerichtsfall, den ich noch habe. Mit dieser Verfügung wird eine 10-tägige Frist ausgelöst und darum muss man auf dem Empfangsschein bestätigen, dass man es bekommen hat und wann man es bekommen hat und den zurückschicken. Und bevor ich den zurückschicke, muss ich ihn natürlich einscannen, damit auch ich weiß, dass ich es bekommen habe und wann und dass ich den Empfangsschein schon wieder zurückgeschickt habe.
LB: Klar, und womit hast Du dann gescannt?
CR: Ich habe hier so einen Tischscanner. Ich möchte jetzt keine Produktwerbung machen.
LB: Das kannst Du aber ruhig erzählen.
CR: Aber ich glaube, den kennen die meisten, es ist der Fuji Scansnap ix500. Er ist total praktisch. Da kann man auf Armlänge schnell was einscannen und schwupp, ist das auf dem Bildschirm und man kann es verschlagworten und einsortieren. Dafür muss man sich gar nicht vom Schreibtisch wegbewegen.
LB: Ja (lacht), erzähle uns mal kurz Deinen Werdegang bitte. Wie bist Du oder wie ist Deine Firma, Deine Kanzlei, dazu gekommen, das Thema papierloses Büro anzugehen?
CR: Es gab einen konkreten Auslöser. Und zwar war das vor zweieinhalb Jahren, im Juni 2015, da fand der alle zwei Jahre stattfindende Anwaltskongress in Luzern statt. Dort gab es einen Workshop von einem deutschen Kollegen. Ich glaube, der hieß Thomas Gfrörer aus Montabaur. Und der hat einen Workshop angesetzt zum Thema digitales Arbeiten in der Anwaltskanzlei oder so ähnlich. Den Titel weiß ich jetzt nicht mehr genau. Und vor zweieinhalb Jahren war es eben so, dass das Thema Digitalisierung in unserer Branche noch nicht so ein Thema war. Aber der Anwaltsverband als Veranstalter hatte gedacht, das muss doch alle interessieren und hatte schier den größten Raum für diesen Workshop reserviert. Aber am Schluss saßen wir damals zu zwölf Leuten. Also, das Thema war noch nicht so da.
Also, das war jetzt im Juni 2017, zwei Jahre später, komplett anders. Aber in den zwei Jahren hat sich wahnsinnig viel getan. Aber damals war das nicht so das Team und der Herr Kollege stand da vorne und hat lebhaft geschildert, wie die das machen. Mit dem Einscannen und dem Verschlagworten und der Telefonzentrale aus dem Internet. Und der Chef der ganzen Kanzlei fährt seit 20 Jahren in Kanada mit dem Wohnmobil rum und erledigt von dort aus komplizierte Haftpflichtfälle.
Ich hörte völlig fasziniert zu und dachte, man, das muss doch hinzukriegen sein. Ich hätte mich aber, glaube ich, nicht getraut, wenn nicht ein Vorstandsmitglied vom Schweizerischen Anwaltsverband, der da auch war, in diesem Workshop, so in einem Nebensatz gesagt hätte, ja, also, der Anwaltsverband hätte nichts dagegen, wenn wir elektronische Postfächer zum Beispiel hätten bei der Post. Hauptsache, das Anwaltsgeheimnis ist gewahrt. Und da machte es bei mir klick und da habe ich gedacht, wenn unser Anwaltsverband uns keine Steine in den Weg legt, auf einem Weg weiterzugehen, in eine neue Richtung zu gehen und da den Weg eigentlich ebnet und nicht versperrt, dann gibt es eigentlich überhaupt keinen Grund mehr, das nicht zu machen.
Damit war der Entscheid gefallen. Schon ab 1. Juli 2015 habe ich alle neuen Fälle digital geführt. Das war klar. Das war noch in der alten Kanzlei, da waren wir noch zu zweit mit Papierbergen und ja, mit einem Scanner 20 Meter weg, wo man immer hinlaufen musste, wenn man etwas einscannen wollte, das waren noch ganz andere Bedingungen als ich die heute habe.
LB: Was würdest Du sagen, auf einer Skala von 1 bis 10, wie weit bist Du jetzt gekommen?
CR: 8 bis 9.
LB: Ja, super.
CR: Würde ich sagen, weil, es hat jetzt zwei Jahre gedauert, bis die letzten Papierfälle verschwunden sind. Die habe ich natürlich noch weiter geführt, die alten Fälle. Ich habe nur neue Fälle dann digitalisiert. Natürlich nicht alte Sachen gescannt. Aber die sind jetzt eigentlich weg und ich archiviere fast kein Papier mehr. Ich drucke auch fast nichts mehr aus und habe fast nichts mehr zum Einscannen.
LB: Aber, jetzt mal eine Frage. Ich muss leider auch ab und an immer mal vor Gericht erscheinen.
CR: Ja…?
LB: Ja, bleibt nicht aus, wenn man mehrere Firmen führt. Mein Anwalt kommt immer mit einer Riesenmappe und meist auch mehreren, wenn es eine größere Sache ist. Wie machst Du das denn jetzt? Hast Du alles dann wirklich auf dem iPad dabei?
CR: Das iPad nehme ich zum Notizenmachen bei Gericht. Da schreibe ich nur auf und das Laptop habe ich dann dabei, da sind die Akten drauf. Also eigentlich zwei digitale Geräte.
LB: Okay, also, Du greifst nicht aktiv in die Cloud auf die Daten, sondern hast die dann schon lokal bei Dir auf dem Laptop?
CR: Ich habe die schon lokal dabei, ja klar, sicher. Leider sind Gerichtssäle immer noch nicht standardmäßig mit Beamern eingerichtet, mit WLAN und so weiter. Das ist leider nicht der Fall, das wäre sehr wünschenswert, aber, es wird irgendwann schon mal kommen.
LB: Ach so, und damit Du mitschreiben kannst, parallel auch was gucken kannst, hast Du dann auf zwei Geräten alles dabei? Du könntest ja auch alles mit dem iPad machen theoretisch?
CR: Könnte ich theoretisch, aber dann muss ich immer hin- und herschalten zwischen der App, auf der du schreibst und deinen Akten in der Cloud. Ich habe dummerweise ein iPad gekauft, was keinen Zugang hat, kein 3G oder so und dann bin ich auf WLAN angewiesen. Wenn es das dann vor Ort nicht gibt, dann müsste ich jetzt einen Hotspot bauen mit dem iPhone. Das ist alles viel zu mühsam. Dann gehe ich lieber mit zwei Geräten und dann weiß ich, was wo ist.
LB: Gut, hat man dann auch mehr Bildschirmfläche und sieht auch mehr. Wobei man sagen muss, wenn Du jetzt ein iPad mit LTE hast, also, mit Mobilfunk, mit dem neuen iOS 11 ist dieses Splitscreen, wo man auf zwei Bildschirmen etwas sehen kann, wirklich sehr gut gelöst, muss ich sagen. Also, das ist wirklich richtig klasse. Wobei, ich muss auch nie so viele Aktenberge wie Ihr dann da bewältigen normalerweise.
CR: Ja, man muss vielleicht auch ehrlicherweise sagen, es hängt ganz vom Rechtsgebiet ab. Wenn ich jetzt an Wirtschaftsanwälte denke, die dann zwei laufende Meter Aktenordner haben mit komplexen Fällen zu Aktiengesellschaften und Handelsrecht, die sich mit 120seiten Klageschriften herumschlagen müssen, auf die sie dann wieder 157 Seiten antworten müssen, das sind ganz andere Dimensionen.
Also, ob man das dann wirklich papierlos gut bewältigen kann, dann braucht man wirklich ganz tolles Personal. Ich arbeite ohne Sekretariat und ohne Stellvertretung. Das heißt, ich mache das selber. Das wäre mir in dem Rechtsgebiet gar nicht möglich. Aber, jetzt im Familienrecht, wo ich tätig bin und wo ich nicht mehr vor Gericht gehe, wie gesagt, ich habe noch zwei üble Fälle. Ich mache alles außergerichtlich, da ist es absolut zu bewältigen. Und die wenigen Male, in denen ich jetzt in diesen zwei Jahren am Gericht war mit diesen Akten, war ich im Gerichtssaal jeweils die Schnellste, die irgendeine Aktenstelle gefunden hat.
LB: Da bin ich mir ganz sicher!
CR: Das ist wirklich wahr. Also, bevor die Anderen oft den Aktendeckel aufhatten, hatte ich das schon auf dem Bildschirm, was wir da brauchten. Irgendeinen Beleg oder so.
LB: Wenn ich die Zeit zusammenrechnen würde, wie ich da vor Gericht, ich meine, so oft saß ich da jetzt auch nicht, aber, man hat immer mal irgendwas. Und wo ich dann wirklich in den Akten meines Anwalts irgendein Schriftstück suchen musste, worauf er Bezug genommen hat, weil er es selber dann nicht direkt gefunden hat. Wenn ich die Zeit zusammenzähle, da hätte ich auch schöne andere Dinge machen können.
CR: Ja, man darf auch nicht unterschätzen, die Zeit, die man braucht, um eingescannte Akten z. B. zu verschlagworten und richtig einzusortieren. Das ist auch richtig Arbeit. Da Ordnung zu halten auf der digitalen Oberfläche und auch in der tiefen Struktur der Ablage, das kostet Zeit. Das muss man sich auch erstmal antrainieren, so gewisse Routinen und Automatismen, damit man da eben nicht Zeit verliert. Obwohl man hinterher Zeit gewinnt, da bin ich völlig mit Dir einig.
LB: Ja, wobei ich ja sage, die Suchen sind heutzutage so gut, dass man sich da auch ein gewisses Chaos ruhig leisten kann. Man muss jetzt nicht alles super verschlagworten, weil die normalen Suchen ja jetzt auch schon wirklich Dokumente durchsuchen. Ich weiß nicht, wo legt Ihr denn die Daten ab? Würde mich mal interessieren.
CR: Es gibt schon eine Ordnerstruktur. Ich muss ja zum Beispiel archivieren, ich muss es zehn Jahre aufbewahren für mein Mandat. Vorher hat man das physisch gemacht. Ich könnte Dir theoretisch mal ein Foto schicken vom Archiv, das hat ich weiß nicht wie viele Laufmeter. Wenn man das nicht mehr physisch führt oder nur noch ganz gewisse Originale wie zum Beispiel Vollmacht, Auftragsformular, ein Scheidungsurteil. Das muss man natürlich noch archivieren, es ist aber ganz schmal. Und wenn man den ganzen Rest digital hat, muss man das natürlich nach Klienten und Klientinnen getrennt halten. Dann hast du ein bestimmtes Dossier, das hieße jetzt Lars Bobach zum Beispiel. Und da kommt nichts anderes rein. Ich sehe schon, was Du meinst. Das mit der Suchfunktion funktioniert aber nicht, wenn Du die Fälle und die Akten getrennt halten musst.
LB: Okay, klar, dass Du da eine gewisse Struktur reinbringen musst. Ist klar, dass Du nicht alles in irgendeine große Tonne oder in einen großen Schrank die Sachen schmeißt und hinterher dann raussuchst, das ist mir klar. Aber, was war denn jetzt so der erste konkrete Schritt? Als Du damals aus diesem Seminar gekommen bist, wo es klick gemacht hat, wo Du gesagt hast, so, das ist es. Was hast Du denn als erstes gemacht?
CR: Das erste war, sich überhaupt mit mir selber darauf zu einigen, dass ich jetzt umstelle. Einen Grundsatzentscheid zu fällen und nicht etwa eine Parallelstruktur aufzubauen. Zu sagen, ja, ich bin nicht sicher, ob das etwas für mich ist. Als mache jetzt mal ein bisschen elektronisch, ein bisschen auf Papier. Das funktioniert nicht. Das erste war einen Stichtag festzulegen, von dem an sich die Welt in eine andere Richtung dreht. Also, das ist der wichtigste Grundsatzentscheid. Von da an war ich eigentlich beschäftigt damit, eben so eine Ablagestruktur zu entwerfen. Also, wie soll denn das digitale Dossier überhaupt aussehen? Soll es das frühere Papierdossier abbilden oder werden jetzt neue Strukturen geschaffen? Damit war ich dann eine Weile beschäftigt, den Workflow überhaupt auf die Beine zu stellen. Wie geht denn das, digital arbeiten?
LB: Also, erstmal das Commitment, wenn ich Dich richtig verstanden habe?
CR: Ja.
LB: Zu sagen, so, ich gehe das jetzt wirklich an ab dem Datum X, da lege ich los. Und als zweites und das sage ich auch immer, nicht einfach loslegen. Sondern wirklich vorher mal genau Gedanken darüber machen, wie mache ich es und was mache ich oder womit fange ich an. Was würdest Du denn jetzt im Nachgang sagen, was sind die größten Hindernisse auf dem Weg zum papierlosen Büro, die Du so umschiffen musstest?
CR: Ja, also, da fallen mir zwei Sachen ein. Das eine war mein Auszug aus dieser Kanzlei. Da war ein fünfjähriger Mietvertrag abgelaufen und ich wollte nicht nochmal fünf Jahre oder irgendwie in die Verpflichtung gehen. Ich wollte mich auch anders ausrichten. Also, ich hatte ganz konkret einen Umzug vor mir. Das war vor einem dreiviertel Jahr. Und das bot auch eine Chance, die ganze Hardware umzustellen und überhaupt alles umzustellen. Also, ich bin dann von Windows auf Apple gewechselt. Ich habe völlig neue Hardware. Ich habe jetzt drei statt zwei Bildschirme, solche Sachen. Oder eben den Tischscanner statt den weit entfernten Multifunktions-Kopierer.
Das hat mir ganz vieles ermöglicht neu aufzustellen, was in der alten Kanzlei wohl so nicht möglich gewesen wäre. Aber, es ist natürlich auch ein gewisses Hindernis, man muss sich dauernd mit neuen Geräten befassen, man muss die personalisieren, einrichten, neue Programm drauf tun, gucken, dass die sich synchronisieren, die Geräte untereinander. Auch kontrollieren, dass die Apps nicht auf irgendwelche Sachen zugreifen, was sie nicht sollen, auf Kontakte, auf Kameras und so. Also, da ist ganz viel los und das ist aber alles überwindbar. Also, ich möchte die Leute nicht abschrecken mit dem, was ich sage. Das ist alles zu bewältigen. Aber, im ersten Moment, also, wenn ich gewusst hätte, was alles an Arbeit und Zeit und Engagement vor mir liegt, bin ich nicht sicher, ob es mich nicht entmutigt hätte. Jetzt, wo ich es hinter mir habe, ist alles wunderbar.
LB: Jetzt bist Du froh, dass Du es gemacht hast. Also, diese Technik, mit dem auseinandersetzen, das war für Dich dann schon auch ein großes Hemmnis. Das hast Du ja auch irgendwo in der E-Mail, die Du mir geschickt hast, geschrieben, dass auch Frauen sich nicht abschrecken lassen sollen. Man muss nicht wahnsinnig affin sein für Technik und digital und sowas, sondern, dass das auch mit normalen Grundkenntnissen, aber Neugier, auch möglich ist.
CR: Absolut, ja. Ich kann auch nicht programmieren. Ich habe einfach immer schon mit Computern zu tun gehabt. Der erste, den ich hatte, war ein abgelegter von meinem Vater. Das war noch ein Digital Rainbow ohne Maus mit DOS Befehlen und so. Das ist doch schon eine lange Entwicklung. Und wenn man Mut hat und Neugier, sich damit zu befassen und sich das auch zuzutrauen, dann kann man das alles. Das ist gar kein Problem, weder für Frauen noch für Ältere. Ich bin über 50, also, alles kein Thema. Kriegt man hin.
LB: Das finde ich schön, wenn Du Anderen da auch Mut machst, auf jeden Fall. Jetzt ist aber die Frage ja als Anwältin. Ihr habt besondere Anforderungen, die Sicherheit der Daten. Ihr habt ein Anwaltsgeheimnis, von dem hast Du gerade gesprochen. Du kannst ja jetzt nicht die Akten irgendwo hinlegen, wo irgendwie eventuell andere Leute drauf Zugriff hätten. Und sei es nur der Anbieter, der Dir diesen Speicherplatz zur Verfügung stellt. Was machst Du denn jetzt konkret, um für die Sicherheit der Daten und den Datenschutz zu sorgen?
CR: Ja, das ist natürlich ein großes Thema, das Anwaltsgeheimnis, ich denke, es ist auch in Deutschland so. Ich bin übrigens Deutsche, also, Schweizerin bin ich erst seit drei Jahren.
LB: Die ganze Zeit habe ich jetzt auf so einen kleinen Schweizer Unterton gehört, den finde ich auch total sympathisch! Habe ich jetzt drauf gewartet und der ist bei Dir gar nicht.
CR: Doch, also, nach 35 Jahren, ich glaube, ich konnte es doch noch einigermaßen konservieren. Man hält mich in Deutschland immer für eine Schweizerin, die besonders gut Hochdeutsch spricht. Das ist natürlich genau falsch herum, aber, macht nichts. Ich hoffe, dass ich das gut trennen kann, das Hochdeutsche einerseits, den Dialekt andererseits. Aber, jetzt sind wir vom Thema ab, also, in Deutschland ist das Anwaltsgeheimnis auch im Strafgesetzbuch geschützt und das aus gutem Grund.
Wir haben ja zwei Komponenten in unserem Beruf, die enorm wichtig sind. Das eine ist die absolute Vertraulichkeit und Verschwiegenheit und das andere ist die Unabhängigkeit von unseren Beratungen, unserer Vertretung. Und das dritte dürfte vielleicht sein, die Parteilichkeit. Wenn wir als Anwältin oder Anwalt jemand vertreten, sind wir absolut für die Person da. Das sind die drei wichtigsten Grundsätze. Und das Anwaltsgeheimnis muss man wahren, aber, wie soll man das eigentlich machen? Wir können uns mal zurück versetzen ins 19. Jahrhundert. Wenn Du damals zu mir als Anwältin gekommen wärst, damals gab es, glaube ich, auch noch keine Anwältinnen. Das gab es erst im 20. Jahrhundert, aber, dann hätten wir vielleicht einen Spaziergang gemacht, um es wirklich ganz vertraulich zu machen, die Gespräche. Oder Du hättest mir irgendeine Depesche übergeben, persönlich, irgendwelche Unterlagen.
Wir machen uns schon gar nicht mehr klar, dass wir schon lange telefonieren, also, persönlichste Gespräche über Vermittler wie Telefongesellschaften führen, dass wir mit der Post verschicken. Ich will jetzt von Mails gar nicht reden, also, es ist schwer, das Anwaltsgeheimnis wirklich zu wahren. Eigentlich gehört dazu der direkte persönliche Kontakt, direkte Übergabe von Dokumenten und wenn ich jetzt zum Beispiel einen Fall hätte wie die Scheidung von Trumps oder von Putin oder so, dann dürfte ich gar nicht mehr in meinem Büro sein, weil jedes Gerät, was hier rumsteht oder rumliegt, hat ein Mikrofon, hat eine Kamera, kann angesteuert werden von außen. Wir müssen uns eigentlich wie im 19. Jahrhundert wieder auf den Weg machen um den Block, um ungestört zu reden. Also, Du siehst diese Probleme. Man kann das nicht absolut wahren.
Da komme ich jetzt gerade zum zweiten Hindernis, was ich vorher mal erwähnt hatte. Das war nämlich, eines morgens kam hier ein Schreiben an, also in meinem E-Postfach. Da wird zuerst mal der Umschlag gescannt. Dann sehe ich morgens, was überhaupt gekommen ist und kann dann sagen, was aufgemacht werden soll und gescannt werden soll oder was direkt an mich weitergeleitet werden oder vernichtet werden soll. Und dann sah ich einen Umschlag mit dem Absender Aufsichtskommission über Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte des Kantons Zürich. Und dann habe ich erstmal geschluckt, kannst Du Dir vorstellen? Dacht ich, was kommt denn jetzt? Also, habe ich etwas falsch gemacht? Ich habe dann den Brief scannen lassen und als ich im Büro war, habe ich ihn lesen können.
Die Aufsichtskommission hat sich einfach Sorgen darüber gemacht, ob ein E-Postfach zum Beispiel überhaupt geeignet sei für eine Anwaltskanzlei, weil man nicht wisse, ob das Anwaltsgeheimnis gewahrt sei, wenn die Briefe nicht bei mir ankommen in der Kanzlei, sondern in einem virtuellen Postfach. Und dann sogar eben auf Zuruf hin geöffnet werden können und eingescannt werden können. Was ist dann mit dem Anwaltsgeheimnis? Im ersten Moment musste ich mich erstmal hinsetzen, weil ich dachte, wenn die mir das jetzt nicht erlauben, dann kann ich gleich meine Visitenkarten wieder einstampfen, kann mein E-Postfach zumachen. Dann ist ganze Ortsunabhängigkeit und Flexibilität weg. Nachdem ich mich dann doch recht schnell wieder beruhigt hatte, habe ich dann einen langen Brief zurückgeschrieben und erklärt …
LB: Das können Anwälte übrigens gut, lange Briefe schreiben.
CR: Ja, man muss immer aufpassen, ob man jetzt besser lang oder besser kurz schreibt, das sind immer taktische Fragen. Aber, da schien es mir doch angebracht, weil die Aufsichtskommission hatte sich auf eigene Recherchen berufen und die waren zum Teil falsch. Ich weiß nicht, wen sie gefragt hatten oder welche Quelle sie benutzt hatten. Es war wichtig, richtigzustellen, wie der Mechanismus wirklich ist und ich hatte auch natürlich selbstverständlich ein mehrseitiges Merkblatt entworfen, was ich mir von den Klientschaften habe unterzeichnen lassen, dass die mir ausdrücklich erlauben, so zu arbeiten, wie ich arbeite.
Und mit einer Ermächtigung, also eigentlich mit einer partiellen Entbindung vom Anwaltsgeheimnis, ist es sowieso kein Problem. Weil, jede Klientin, jeder Klient, kann mich jederzeit teilweise oder gänzlich entbinden. Aber, das brauche ich natürlich dann, um eine Verletzung auszuschließen. Aber das kam gut raus, also, die Aufsichtskommission hat mir ein paar Wochen später geschrieben, es sei alles in Ordnung, ich könnte das Postfach so führen. Alles in Ordnung, die Hürde habe ich überwunden zum Glück. Das war doch ein ganz wichtiger Baustein.
LB: Jetzt aber mal ganz kurz konkret, was Ihr für den Datenschutz macht. Du lässt Dir von Deinen Klienten was unterschreiben, dass du die Daten digital irgendwo ablegen darfst, nehme ich mal an?
CR: Ja.
LB: Und wo liegen die Daten dann?
CR: In der Cloud. Das ist ein nächstes Thema. Auf dem Merkblatt habe ich alle Eigenheiten des digitalen Arbeitens aufgeführt, dass zum Beispiel die Klientendossiers am Schluss in der Cloud liegen, das wissen die auch. Das ist klar. Und dass der Datenverkehr über E-Mail geht und so weiter.
LB: Okay, das hast Du da alles drin. Und die Cloud steht wo?
CR: Natürlich in der Schweiz. Wir haben das gleiche Thema wie die deutschen Anwälte in Deutschland. Es geht darum, dass die Daten in dem Land bleiben und zwar vollumfänglichen, wo ich auch arbeite, wo ich das Domizil der Kanzlei habe. Ich bin als Anwältin der hiesigen Jurisdiktion unterworfen und es geht ja auch um die Themen Datenschutz. Ich möchte mich auf hiesige Gesetze berufen können, wenn ich das Gefühl habe, der Datenschutz wird verletzt. Geschweige denn, wenn der Staat auf die Idee käme, auf geschützte Daten zugreifen zu wollen.
Also, wenn du heikle Fälle hättest, denken wir zurück an den deutschen Herbst 77, wer damals Terroristen vertreten hat gegen den Staat, der hatte verwanzte Kanzleien. Da muss man sich gar keine Illusionen machen. Und wenn du heute heikle Mandate hast, dann könnte man einfach nicht ausschließen, dass der Staat selber vielleicht Bestrebungen macht, das zu hacken. Dann ist es wichtig, dass es in der Schweiz passiert, wo ich mich auch hier wehren kann bis hin nach Straßburg, europäische Menschenrechtskommission, und nicht etwa, weil die Daten nach Rumänien gespiegelt wurden oder nach Amerika, und dann dort abgegriffen wurden, nach amerikanischen Recht. Das geht nicht, da sind die Anwaltsverbände auch jetzt ausgesprochen oder implizit streng in den Vorgaben, dass sie sagen, bitte, wenn ihr Clouds nehmt, dann bitte nur inländisch.
LB: Wenn ich das jetzt richtig verstanden habe, für die Rechtssicherheit, dass Du …
CR: Ja, also, für die Sicherheit der Daten an sich und die Einhaltung von eben hiesigen Datenschutzbestimmungen, die als zentral angesehen werden für unsere Arbeit. Es geht aber auch zum Beispiel um sowas Profanes wie den Konkurs des Cloud-Anbieters. Stell Dir vor, so eine Firma geht Konkurs. Dann stehen die Server irgendwo rum, werden mit Beschlag belegt und da liegen meine Daten drauf. Wie kann ich dann da dran? Das ist natürlich viel einfacher, wenn es jetzt nach Schweizer Recht geht, wo ich mich zu Hause fühle als nach Finnischem Recht oder so.
LB: Klar, sehr wichtig, tolle Einsichten.
CR: Zu dem Thema nur noch schnell angefügt. Es gibt natürlich gewisse Apps, die wir überhaupt nicht gebrauchen können, beispielsweise WhatsApp als Messenger-Dienst oder Dropbox. Du kennst die Beispiele, die einschlägigen, also, das geht gar nicht. Durch diese erhöhten Anforderungen, die auch im eigenen Interesse liegen, bin ich natürlich extrem kritisch, wenn ich eine neue App ausprobiere oder ein Programm, ob es wirklich hinhaut von den Sicherheitsanforderungen her.
LB: Ja, das kann ich total nachvollziehen. Evernote wäre zum Beispiel auch eine Sache, die käme dann für Euch gar nicht infrage, was ich auch total nachvollziehen kann. Geht ja auch gar nicht.
CR: Evernote nehme ich durchaus für Notizen und zwar für Notizen, wenn ich selber in eine Weiterbildung gehe und mir da was aufschreibe, finde ich wunderbar als Notizbuch. Niemals für heikle Daten, die liegen bei mir ausschließlich in der Cloud. Also, diese Klientendossiers zum Beispiel. Dann gibt es natürlich noch einen Haufen weite heikle Daten. Da muss man sich überlegen, welchen Programmen man da vertraut.
Jetzt denken wir an etwas ganz alltägliches wie eine Kalender-App. Du trägst etwas ein, Meyer Besprechung, Müller Telefontermin. Also, stehen bei mir natürlich nur Nachnamen drin. Auch diese Apps, der Kalender von Apple zum Beispiel, der synchronisiert sich auch irgendwo hin. Oder eine To-do-App. Da habe ich auch nur Nachnamen drin, das kann Meyer, Schmidt und Müller sein, völlig egal, und da steht dann Konferenzentwurf fertigmachen oder so, auch das. Wenn es sich irgendwohin selbständig synchronisiert, es machen ja viele Apps automatisch, dann ist immerhin ein Stückweit wirklich die Anonymität gewahrt. Ich muss ja irgendwo noch einen Namen einfügen.
Also, wenn man es ganz streng nähme, müsste man sich vierstellige Kürzel überlegen. Aber, dann weiß man wieder nicht, wer das ist. Das ist auch blöd. Man kann es weit treiben, aber ich denke, von der Grundhaltung her, wenn man sorgfältig ist und sich immer genau überlegt, was passiert jetzt, wenn ich jetzt da etwas reinschreibe. Wo geht das jetzt genau hin und wem das zu heikel ist, dann sollte man die Information so weit minimieren, wie es nur geht, dass die Leute nicht erkennbar sind.
LB: Okay. Du hast mir im Vorgespräch gesagt, dass Ihr auch MeisterTask einsetzt? Wofür nutzt Ihr das?
CR: Das haben wir für ein Projekt zum Beispiel. Wir arbeiten an einem Handbuch zum Verhandlungsmodell „collaborative law and practice“. Da sind wir eine sechsköpfige Gruppe und haben verschiedene Merkblätter zu erarbeiten und daran arbeiten verschiedene Personen und dann haben wir erst mit Slack probiert. Es ist so ein bisschen chaotisch für die älteren Semester. Es sind Leute dabei, die sind noch älter als ich. Und Meistertask hat eine einfache Oberfläche, eine einfache Handhabung und das hat eigentlich alle überzeugt, dass man es damit gut machen kann und vor allen Dingen kann man den Fortgang eines Projektes sehr gut verfolgen. Was hat man noch gar nicht angefangen, was ist in Bearbeitung, wer arbeitet daran? Welche Dokumente gehören zu d esem Merkblatt, was man da erstellt, irgendwelche Flipchart-Fotos und was ist schon fertig?
LB: Diese Übersichtlichkeit ist das Schöne, wenn Du ein Projekt hast, dass Du wirklich sehen kannst, was ist in welchem Status. Mit Slack kann man keine Projekte organisieren, das funktioniert da nicht. Es ist eher eine WhatsApp-Gruppe, wenn man will, in verschiedene Räume aufgeteilt.
CR: Genau.
LB: Wo siehst Du denn jetzt für Dich als Unternehmer oder Anwältin den größten Vorteil des papierminimierten Büros?
CR: Das eine ist die Ortsunabhängigkeit, ich kann heutzutage auch ohne Sekretariat problemlos zwei Wochen in Ferien gehen und vom iPad aus mein Büro managen. Vom E-Postfach über Mail, über Combox-Nachrichten. Wenn mich jemand anruft und spricht mir etwas drauf, das kommt per Mail rein. Da ist von vorne bis hinten alles digitalisiert und das ermöglichen mir, Ortsunabhängigkeit und Flexibilität. Das ist sicher ein ganz wichtiger Punkt.
Der zweite Punkt ist Kostensenkung natürlich. Also, wenn du kein Sekretariat mehr beschäftigen musst, Personalkosten und Raumkosten sind die größten in Betrieben, dann hast du eine extreme Kostensenkung. Und vor allen Dingen auch, Briefmarken brauche ich fast keine. Nur, um Empfangsscheine zurückzuschicken wie heute oder vielleicht mal ein Einschreiben, wenn ich eine Eingabe machen muss. Aber, ich habe fast keinen Briefmarkenverbrauch mehr. Es gibt viele Kosten, die sich senken, auch bei Programmen zum Beispiel. Ich weiß nicht, ob Du Dich ein bisschen auskennst mit all diesen Anwaltssoftwareprogrammen, so Klientenbearbeitung?
LB: Nein, gar nicht.
CR: Das sind Megaprogramme, es gibt ganz viele verschiedene. Es sind auch zum Beispiel ganz tolle, aber die kosten enorm viel. Da zahlst du Lizenz, schnell mal 700 oder 1.000 pro Jahr pro Arbeitsplatz. Und dann hast du einen Support, also, unheimlich teure Software. Das kann man sich alles sparen, wenn man sich die Programme anders zusammensetzt. Also, kleinere andere Programme für bestimmte Funktionen sich zusammenlegt.
LB: Okay, schön. Was würdest Du jetzt Unternehmern oder Anwälten raten, die sich dem Thema papierloses Büro annehmen wollen?
CR: Ja, also, wenn ich jetzt Lars Bobach wäre, würde ich sagen, ich habe hier sieben Punkte (lachen), fangen wir mal mit dem ersten an. Nein, ganz kurz, also, einiges haben wir schon erwähnt. Erstmal geht es darum, einen Stichtag anzusetzen und ab dann konsequent die neue Struktur durchzuziehen. Also, diesen Grundsatzentscheid zu treffen, einen Zeitrahmen festzulegen, sich selber damit zu committen und wenn man Angestellte hat, die auch. Es muss von vorne anfangen. Also, wenn du der Chef bist und dann fängst du damit an und dann ziehen die Mitarbeiter auch mit.
Das zweite ist, sich eine gute Struktur für eine Ablage zu überlegen und auch dort, ich bin mit mir alleine, ich kann das mit mir alleine abmachen, aber, sobald du mehrere Personen bist, muss es auch klar sein, wer arbeitet wann mit welchen Daten? Wie werden die behandelt, wo kommen die hin? Was ist der Titel einer PDF Datei? Wie findet man die wieder usw.
Ein wichtiger Punkt auch ist, denke ich, das Aufräumen. Man muss wirklich permanent aufräumen. Wenn ich drei, vier tagelang hier, die PDFs, die ich eingescannt habe, die eine 25-stellige Nummer haben, nicht aus dem Scan-Ordner entferne, verschlagworte und einordne, dann muss ich mich irgendwann einen halben Tag dransetzen, um das wieder aufzuräumen. Das ist ganz wichtig, Ordnung halten und sich da ganz klar zu sagen, das machen wir so.
Dann muss man überlegen, welche Infrastruktur braucht man? Ich habe als Anwältin mit einem Bildschirm angefangen. Die letzten fünf Jahre waren es zwei Bildschirme. Was ich schon sehr komfortabel fand, jetzt sind es drei Bildschirme. Weil, geradeaus arbeite ich und links ist zum Beispiel die Zeiterfassung und der Finder, wo ich all die Daten habe, rechts ist der Kalender und die To-do-Liste. Man hat eigentlich einen virtuellen Schreibtisch und dafür braucht man auch Platz. Man kann nicht digital arbeiten, wenn man keinen Platz hat. Das erfordert neue Hardware, in meinem Fall drei Apple-Geräte, die alle drei mobil sind, drei Bildschirme, Tischscanner und solche Sachen. Daran muss man auch denken, die muss man auch alle einrichten. Also, ich denke mal, pro Gerät braucht man vielleicht ein Wochenende, um das zu personalisieren und es so einzurichten, dass alle Apps drauf sind, dass sie sich synchronisieren mit den anderen Geräten.
Es gäbe noch x Tipps mehr, aber ich denke, der wichtigste ist eigentlich letztlich, sehr kundenorientiert zu denken. Das alles macht man nicht einfach nur für sich selber, um sich zu optimieren und Kosten zu senken. Die Kostensenkung sollte man auch weitergeben. Für den Kunden sollte es interessant sein, dass man da etwas umgestellt hat. Die sollen das auch merken. Und in meinem Fall zum Beispiel merken sie es daran, dass sie Termin online buchen können. Das finden sie toll oder sie merken, dass sie ihre eh schon vorhandenen PDFs gar nicht mehr ausdrucken müssen und mir schicken, sondern, sie können es mir per Mail schicken oder sie können mit TeamViewer mit mir auf dem gleichen Bildschirm arbeiten. Es muss konkret ein Benefit rausschauen, auch für die Kundenseite. Das ist meine feste Überzeugung.
LB: Das finde ich einen ganz tollen Abschluss, dass man da wirklich an die Kunden denken sollte, weil die haben auch was davon und wenn es so eine einfache online Terminvereinbarung ist, die wirklich das Leben so dermaßen erleichtern kann. So eine Kleinigkeit, aber, die uns als Kunden wirklich das Leben wahnsinnig erleichtert, sehe ich auch so. Ja, ich bedanke mich erstmal bis hierhin, Carola, war super interessant. Jetzt bedanken wir uns bei unserem Sponsor und dann kommen wir zur Abschlussrunde.
Da sind wir wieder zurück mit der Carola Reetz, eine deutsche Rechtsanwältin aus der Schweiz, die sich auf den Weg gemacht hat zum papierlosen Büro. Die Abschlussfragen: Carola, welcher ist Dein wichtigster Tipp zum Selbstmanagement?
CR: Das wäre ein abendfüllendes Thema, Lars. Aber, ich denke mal, es gibt so ein paar Grundsätze, keine Mails vor 11! Man braucht Zeit für sich, für die wichtigen Projekte, die man hat, für sich persönlich oder beruflich. Und dann kommt das Tagesgeschäft. Und Selbstmanagement besteht ganz wesentlich daraus, dass man zu trennen weiß zwischen Arbeit und Pausen, zwischen Arbeit und Freizeit, dass man auch keine Arbeit mit nach Hause nimmt und dass man nicht selber die Hauptquelle ist für Unterbrechungen. Das unterschätzen viele, man denkt immer, die bösen Leute, die Mails schicken und mir quasi den Posteingang vollmachen. Es ist quasi eine To-Do-Liste, die mir fremde Leute befüllen wollen. Und dann ist man ärgerlich darüber. Ich mache ja die meisten Unterbrechungen selber, wenn ich das Mailprogramm 25mal am Tag angucke.
LB: Genau, oder die ganze Zeit sogar noch offen habe.
CR: Wir sind früher auch nicht 25mal zum Briefkasten gerannt, um zu gucken, ob der Briefträger nochmal da war.
LB: Da sind aber viele heutzutage viel zu hektisch oder zu unruhig. Die müssen immer genau wissen, was da alles passiert. Du hast recht, der größte Störenfried bei seiner eigenen Arbeit ist man eigentlich selbst. Was machst Du denn als Unternehmerin, um abzuschalten?
CR: Da gibt es verschiedene Aktivitäten indoor und outdoor. Indoor mache ich Musik, ich spiele in verschiedenen Formationen und auch allein für mich, üben sollte man auch ab und zu. Und kochen ist auch so was. Und draußen gehe ich Vögel beobachten mit einem guten Fernrohr. Man braucht wirklich ein gutes Fernrohr und dann Vögel gucken. Wenn ich das jetzt so sage, fällt mir auf, dass es eigentlich drei Tätigkeiten sind, die alle mit flüchtigen Erlebnissen zu tun haben. Wenn ich das Instrument weglegen, ist die Musik vorbei. Wenn ich das Essen, was ich gekocht habe, gegessen habe, ist es vorbei und wenn der Vogel wegfliegt vom Baum, ist es auch vorbei mit der Beobachtung. Also, es geht sehr um das Gegenwärtige offenbar, merke ich gerade.
LB: Genau darum geht es ja beim Abschalten, dass man sich mal im Hier und Jetzt irgendwie vielleicht verankert, wo man ja im Beruflichen sehr selten Zeit hat. Man plant, man guckt in die Vergangenheit, aber es ist ganz wichtig, im Hier und Jetzt auch mal zu sein.
CR: Ich denke auch, dass bei all diesen Tätigkeiten man sich wirklich vergessen kann. Jetzt, wo Du es sagst, fällt mir es auch auf. Also, wenn ich Musik mache, habe ich komplett vergessen, dass ich Anwältin bin. Das ist ganz weit weg.
LB: Schön.
CR: Danke für den Hinweis.
LB: Welche Apps oder welchen Internetdienst kannst Du der „Produktiv in digitalen Zeiten“-Community denn empfehlen?
CR: Womit ich am meisten arbeite, ist, glaube ich, für handschriftliche Notizen Notability. Ich habe viele verschiedene Handschriften-Apps ausprobiert und jetzt bin ich auch nicht mehr so dahinter gewesen die letzten Monate. Ich kann nicht ausschließen, dass etwas Neues erschienen ist, aber, Notability finde ich, macht das beste Feeling zwischen Stift und Oberfläche. Da kann ich wirklich die Illusion haben, ich bin auf Papier unterwegs. Ist wahrscheinlich nichts für professionelle Zeichner, weil die ganze Farbpalette ist nicht so umfangreich. Um das geht es gar nicht, aber, mit der App mache ich zum Beispiel zeichnerische Visualisierungssachen. Wenn ich einen Workshop vorbereite, am Flipchart zum Beispiel zeichne oder entwerfen und auch die Besprechungsskizzen in Fällen, die ich dann als PDF schicke als Mail.
LB: Und der große Effekt dieser App ist, dass es für Dich ein gutes Gefühl gibt, dass die sich wie auf Papier anfühlt, wenn Du da schreibst?
CR: Ja, also, tolle handschriftliche Notizen, sehr brauchbar. Und das ist jetzt wieder so ein Beispiel. Es ist auch eine App, wo ich nicht weiß, wo sie sich hin synchronisiert. Also, wenn ich dann Notizen gemacht habe im Gespräch oder in Verhandlungen, schicke ich mir die als PDF an mein Mail und dann lösche ich sie in der App. Ich weiß natürlich, dass all die Server nichts vergessen. Wahrscheinlich hat sie sich schon synchronisiert, wahrscheinlich ist schon eine Kopie von dem, was ich geschrieben habe, auf irgendeinem Server, irgendwo. Aber, irgendwann wird es dort auch gelöscht. Aber Du siehst, wie heikel das ist, oder?
LB: Ja, klar. Welches Buch hat Dich als Unternehmer und Mensch am meisten geprägt?
CR: Das könnte ich jetzt nicht sagen. In meinem Leben habe ich sicher ein paar tausend Bücher gelesen, aber jetzt zum Thema Zeit, Menschen, Selbstmanagement, mit dem Du vorhin angefangen hast zu fragen, fallen mir zwei Bücher ein. Und zwar, das eine kennst Du vielleicht, ist von Verena Steiner, Energiekompetenz.
LB: Nein, kenne ich nicht.
CR: Das ist eine Schweizer Biochemikerin, die ganz grundsätzlich geschrieben hat über den Umgang mit Energie. Also, wie funktioniert unser Organismus überhaupt? Was bedeuten Ruhephasen, Arbeitsphasen, der Einfluss von Schlaf, von Bewegung, von Kaffee, von allem Möglichen? Also, ganz tolles Buch, ist für mich die Grundlage oder der Beginn vom Thema Ausflug ins Selbstmanagement. Sich mit dem Thema Energie zu befassen.
Und das zweite Buch, was ich auch ganz toll finde, das ist quasi wie eine Fortsetzung, es ist von Alex Pan, das ist ein Amerikaner koreanischer Herkunft. Der hat ein Buch geschrieben mit dem Titel Pause, ganz einfacher Titel, Pause. Der macht das ganz toll, der nämlich aufgearbeitet, eine Unmenge an Quellen, ist auch ganz toll zu lesen. Er hat einen tollen Style.
Der hat mal geschaut, wie arbeiten eigentlich hoch kreative Menschen und wenn man dann zum Beispiel liest, dass Charles Darwin nur dreimal anderthalb Stunden am Tag gearbeitet hat oder der berühmte Mathematiker Poincaré, der hat zweimal zwei Stunden gearbeitet am Tag, dann beginnt man zu ahnen, dass man in Berufen mit einem hohen geistigen Level an Arbeit, also, einer hohen Intensität, wenn man angewiesen ist auf den echten Flow, dass man anderthalb bis zwei Stunden komplett ungestört hochkonzentriert an etwas arbeiten kann.
Es können Texte sein, es können mathematische Berechnungen sein, egal was, dann ist man darauf angewiesen, dass diese Phasen wirklich ungestört sind, dass sie kurz sind, anderthalb bis zwei Stunden, dass dann wieder eine Pause kommt. Und dass man aktive oder passive Pausen macht, aber, dass man quasi den Müßiggang wieder pflegen muss, richtig den Müßiggang zwischen diesen hochintensiven Arbeitsphasen. Und so haben all diese berühmten Leute, es wird auch Churchill zitiert und alle möglichen Leute, so haben die ihr Lebenswerk hingekriegt, mit vier bis maximal sechs Stunden Nettoarbeitszeit am Tag. Aber die richtig und das zeigt er ganz toll in seinem Buch, ist sehr lesenswert. Davon habe ich mir gleich eine Scheibe abgeschnitten. Mein Tag sieht nicht wesentlich anders aus.
LB: Super, also, die landen beide bei mir auf der Leseliste, hundert Pro!
CR: Ja, sehr gerne, schicke ich Dir gerne die Links.
LB: Ja, das wäre super. Verlinken wir natürlich hier auch im Artikel zu dieser Podcast-Folge. Welches ist denn der beste Ratschlag, den Du jemals erhalten hast?
CR: Das ist vielleicht nicht direkt ein Ratschlag, sondern ein Satz, der mich jetzt schon jahrelang begleitet. Ich nenne jetzt mal den Satz und sage dann von wem. Der Satz lautet: Es gibt kein richtiges Leben im falschen. Und dieser Satz wird Adorno zugeschrieben, ist eigentlich eine Zusammenfassung eines Grundgedankens aus seinem Werk Minima Moralia. Und dieser Satz hat mich lange begleitet, weil er mir Mut gemacht hat, jetzt nicht irgendwie an der Peripherie etwas verändern zu wollen. Was weiß ich, meine Mail Inbox immer leeren am Abend oder mein Zeitmanagement ein bisschen anders zu machen, sondern, manchmal geht es einfach um Grundsätzliches.
Ob die Lebensumstände, in denen man lebt oder ob die beruflichen Umstände noch richtig sind für das, was man eigentlich erreichen möchte, damit es kongruent wird zu dem, was wir wirklich wollen und was wir wirklich könnten, wenn wir uns trauen würden. Also, den Mut zu haben, sich auf den Weg zu machen, vor allen Dingen mal genau hinzugucken bei sich selber, was läuft gut, was läuft nicht so gut. Kann ich das ändern? Was kann ich ändern? Es geht manchmal wirklich um ganz Grundsätzliches, es geht darum, dass Menschen vielleicht auch mal eine Ehe beenden. Ich habe das ja viel im Beruflichen, privat nicht so. Oder eine Arbeitsstelle wechseln oder die Stadt wechseln oder ihre Arbeit komplett neu ausrichten. Das ist ein Satz, es gibt kein richtiges Leben im falschen. Ist eine Erkenntnis, aber auch eine Handlungsaufforderung. Das finde ich gut daran.
LB: Okay, Carola, dann sage ich erstmal vielen Dank bis hierhin. Bevor wir jetzt zur letzten Frage kommen, es war wahnsinnig interessant und ich glaube, da ist für viele wirklich ganz viel Input gewesen, gerade, die sich auch mit dem Datenschutz und solchen Sachen auseinandersetzen, dass man sich einfach mal wirklich Gedanken macht, wo meine Daten landen. Welchen Weg sie durchs Internet nehmen und, und, und. Wenn jetzt jemand Fragen dazu hat und gerade vielleicht auch ein Anwalt, der sagt, jetzt hat die Carola sich so viel Gedanken dazu gemacht, wie kann man denn mit Dir in Kontakt treten?
CR: Kolleginnen und Kollegen, die jetzt hier zufällig zuhören, können selbstverständlich mich immer anrufen, einen Anruf vereinbaren oder eine Mail schicken. Wer da Fragen hat, kann mich direkt angehen. Wenn es aber dann hundert Leute sind, würde ich mir überlegen, das erste Seminar meines Lebens zu veranstalten und die Leute dazu einzuladen. Dann nimmt es ein Ausmaß an, was nicht mehr geht. Aber wenn jemand Fragen hat, sehr gerne. Ich teile Wissen gerne und kollegial sowieso. Das ist für mich eine klare Sache.
LB: Das merkt man. Ja, Carola, vielen, vielen Dank.
CR: Ja, ich danke Dir auch, Lars, hat Spaß gemachte, Danke!
LB: Ja, mir auch, war wirklich super und an Euch nochmal die Aufforderung. Wenn Ihr Euer Unternehmen oder Euch als Unternehmer auf den Weg gemacht habt ins papierlose Büro, raus aus dem Papierchaos, wie ich es genannt habe, dann schreibt mir gerne eine E-Mail an office@larsbobach.de und dann können wir ja mal gucken, ob wir auch so ein Interview, wie ich das jetzt mit der Carola geführt habe, vereinbaren können. Und dann sage ich Euch mal wieder, mehr Zeit für die wirklich wichtigen Dinge im Leben. Ciao.
Hallo Carola,
ich habe gestern dem Podcast mit Spannung zugehört, da ich aus seit 2013 mit meiner Kanzlei völlig digital unterwegs bin. Leider haben wir in Deutschland die Möglichkeiten der ePost in diesem Sinne noch nicht. Überhaupt hinken wir bei einigem massiv hinterher. Erst ab 2018 startet ein Teil des elektronischen Rechtsverkehrs. Bis es vollständig und zwingend verwendet werden muss und alles elektronisch laufen kann, dauert es noch ein paar Jahre.
Dennoch würde ich nie – obwohl ich auch eine großer Freund meiner Papierakten war – wieder zurückkehren wollen. Effizienter als mit der digitalen Aktenführung kann man nicht arbeiten. Ich mache nur Verkehrsrecht, viele Unfallsachen, damit verbunden ist ein Haufen Korrespondenz mit den Versicherungen. Und die kommen ja vom Papier noch nicht so wirklich los 😉 Aber, wir haben einen Anbieter in Deutschland (econsult), der eine elektronische Aktenführung erlaubt. Der Vorteil: die Kommunikation mit den Versicherungen – auch Rechtsschutzversicherungen – läuft über diese Plattform. Der Mandant erhält nach Wunsch einen Zugang und kann komplett mitlesen. Eine super Sache, da die Telefonanrufe massiv gesunken sind und die Papierpost auch. Über meine Anwaltssoftware habe ich eine Schnittstelle zu dieser Plattform und kann direkt aus meiner elektronischen Akte heraus versenden. Der Mandant kann auch über diese Plattform Dokumente und Nachrichten an die Kanzlei senden, die wiederum direkt in der Akte landen. Eine wirklich komfortable Sache.
Meine Daten habe ich auf einem eigenen Server liegen. Den Zugang zur Kanzlei (wenn ich bzw. meine Mitarbeiterinnen aus dem Homeoffice arbeiten wollen) läuft über VPN.
Ich kann wirklich jedem nur ans Herz legen, auf die digitale Aktenbearbeitung umzusteigen. Kostenersparnis und Zeitersparnis sind nur 2 wichtige Aspekte. Und für meine Mitarbeiterinnen, die auch Mütter sind, ist die Sache mit dem Homeoffice ein zusätzlicher Gewinn.
Es freut mich, dass ich eine begeisterte Kollegin gefunden habe ;-). Viele liebe Grüße aus Nürnberg in die Schweiz. Steffi Helzel
und zum Abschluss noch @ Lars – Hallo Lars, Deinen Blog lese ich seit Jahren und bin großer Fan deines Podcast. Bei der Digitalisierung meiner Kanzlei hast du mit deinen Tips einen ganz erheblichen und wertvollen Beitrag geleistet. Vielen Dank dafür und mach bitte weiter so!